Essen. Die GDL fordert pro Zug mindestens zwei Schaffner und einfachere Tarife, um Aggression zu vermeiden. 80 Prozent haben Angst beim Nachtdienst.

S-Bahnen und Regionalzüge an Rhein und Ruhr sollen nicht mehr „schaffnerlos“ durch die Region rollen, fordert die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL). Auf jeden Zug gehörten zwei Zugbegleiter. Mindestens. Notfalls auch Polizei. Nur so könne die zunehmende Gewalt gegen das Bahnpersonal gestoppt werden.

Geilenkirchen im Rheinland im Januar: Der Zugbegleiter kontrolliert einen Fahrgast, der sein Ticket nicht entwertet hat. Der Bahn-Mitarbeiter will die  Personalien. Da zieht der vorbestrafte Schwarzfahrer ein Teppichmesser. Nur mit Hilfe eines Fahrgastes gelingt es dem Zugbegleiter, den Angriff abzuwehren.

Geschlagen, mit Messer und Schusswaffen bedroht

„Die Hemmschwelle zur Gewalt sinkt rapide“, sagt der Bezirksvorsitzende der GDL in NRW, Sven Schmitte. „Unsere Kollegen werden geschlagen, mit Messern und sogar Schusswaffen bedroht“.

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In NRW ist die Gewalt in den Regionalzügen, auch die mit Worten, im letzten Jahr zwischen 1000 und 1800 mal eskaliert. „Was ist mit den Daten aus dem Sicherheitsbericht der Bahn AG, die vor einigen Wochen einen Anstieg auf bundesweit 1500 Fälle und damit auch um 25 Prozent ergaben? Schmitte: „Die sind deutlich zu niedrig“.

Polizei in die S-Bahnen?

Die GDL sieht die Landesregierung und die Bahn-Arbeitgeber gemeinsam in der Pflicht zu handeln. „Sowohl die Kunden als auch das Zugpersonal haben ein Recht auf sichere Fahrt“. Die soll laut GDL nicht nur durch eine zweiköpfige Zugbegleiter-Besatzung selbst dort garantiert werden, wo heute – wie auf S-Bahnen – keine Zugbegleiter unterwegs sind. Nachts und auf „auffälligen Strecken“ müsse auch zusätzliches Sicherheitspersonal oder sogar Polizei mitfahren.

Die Lokführer-Gewerkschaft hat in Nordrhein-Westfalen eine eigene Umfrage gestartet. Ergebnis: 63 Prozent ihrer Kollegen sind schon körperlich angegriffen worden. 93 Prozent müssen sich täglich Beschimpfungen gefallen lassen. 78 Prozent der befragten Zugbegleiter haben Angst, wenn sie ihren Job auf einer Schicht alleine ausüben müssen. 80 Prozent sind beim Nachtdienst ängstlich. Jeder fünfte hat direkt Furcht vor Gewalt - oder vor Mobbing im Internet, etwa durch Veröffentlichung von Fotos samt Klarnamen.„Dieser Stress macht unsere Kollegen auf Dauer krank“, glaubt der Bezirkschef.

In der Nacht ist der Hauptbahnhof voller Betrunkener

„Samstags, Sonntags und Feiertags in den frühen Morgenstunden zwischen drei und acht Uhr ist es selbst mit zwei Kollegen gefährlich“, hat ein Zugbegleiter auf den anonym gehaltenen Fragebogen geschrieben. Schmitte, selbst Lokführer, kann das bestätigen: „Der Kölner Hauptbahnhof ist dann voll von Gruppen Betrunkener“.

Über die Ursachen der steigenden Aggressivität unter den Fahrgästen hat sich auch die Gewerkschaft, in der 40 Prozent der 2100 Zugbegleiter in NRW organisiert sind, Gedanken gemacht. Eine Ursache: Meist kommt es bei der Ticket-Kontrolle zum Krach. Immer wieder geht es um die Übergangstarife zwischen den Verkehrsverbünden, wenn Kunden nicht ordnungsgemäß gelöst haben. „Unser Tarifsystem hier ist zu kompliziert“, sagt Sven Schmitte.