Paris.. Die Ile d’Oleron gilt als Feinschmecker-Paradies. Im Schlick der französischen Atlantik-Insel werden Austern gezüchtet. Etwa von Bernard Montauzier. Der 39-Jährige lebt von Austern – und Touristen.

Bernard Montauzier schaut im Insel-Hafen von Château d’Oléron unruhig auf die Uhr. Die Zeit drängt, der Austernzüchter muss raus. „Es ist jedes Mal ein Wettlauf gegen die Flut“, sagt der 39-Jährige. An diesem Frühsommertag naht die Flut gegen Mittag. Bald ist der Meeresspiegel ideal: niedrig genug, damit die langen „Austerntische“ eine Weile frei liegen, hoch genug, damit das Boot schon ungehindert durch das niedrige Wasser an sie heranpreschen kann.

Auf der anderen Seite der langgezogenen Île d’Oléron an Frankreichs Westküste wirft sich der Atlantik auf breite Sandstrände. Die Insel zählt zu den schönsten Frankreichs. Auf dieser Seite der Insel entfaltet sich eine andere Pracht – der ganze Stolz des Départements Charente-Maritime: die Austernzucht.

Die berühmten grünen Austern, die „huîtres oléronnaises“, sind eine lukullische Offenbarung. Eine, die das geschützte Herkunfts-Label „Marennes-Oléron“ trägt und damit so exklusiv ist wie ihr Begleiter: ein fein perlender Champagner. „Unsere Austern“, sagt Bernard stolz, „sind die besten in Frankreich.“

Ideale Bedingungen für die Muschel- und Austernzucht

Sein Boot fegt mit Höchstgeschwindigkeit über das glatte Wasser. Schon nach zehn Minuten hat er seinen „Austerngarten“ erreicht. Hunderte engmaschige Taschen voller Austern, die auf den „tables“ (Tische) ruhen, den knie- bis hüfthohen eisernen Gestellen, wollen in Windeseile gewendet werden.

Die Île d’Oléron ist nach Korsika die zweitgrößte Insel Frankreichs. Ein großer Bereich des Meeres um die Insel ist verschlickt und bietet so ideale Bedingungen für die Muschel- und Austernzucht. Bernard Montauzier gehört zu den Austernzüchtern auf der Île d’Oléron, die auch Führungen für Touristen anbieten. Die Trips dauern sechs Stunden und kosten 39 Euro.

Die Menschen leben vom Tourismus

An diesem Tag streicht nur ein leiser Wind über die sonnen- und windgegerbten Gesichter der Männer. An Bilderbuchtagen wie diesen wirkt ihr nasses Handwerk romantisch. Doch in Wirklichkeit ist es ein harter Kampf gegen die Elemente. Am Tag zuvor rauschte ein Sturm mit 90 Kilometern in der Stunde durch die Bucht.

Auf der Île d’Oléron leben die Menschen vom Tourismus – und von der Auster. 50 000 Tonnen dieser Delikatesse stemmen sie allein dort jedes Jahr aus dem salzigen Nass – die Hälfte der gesamten französischen Austern-Produktion. Bernards Austerngarten verteilt sich auf viereinhalb Hektar. Vier Jahre bleiben die Austern in dem planktonreichen Wasser. Dann werden sie an Land gebracht, um die letzten Wochen und Monate zur Klärung in speziellen Bassins zu verbringen. Am Ende dürfen sie sich „Fines de Claires“ nennen.

Erst dann gehen Bernard Montauzier und seine Frau Sophie mit ihnen auf den Markt. Ein Dutzend ihrer „Calibre No. 3“ kostet 5,50 Euro, in Paris müssen Austernschlürfer ein Vielfaches dafür hinblättern. Bernard öffnet die kalkige Pracht, Zitronen und Salz liegen griffbereit. Was ist das Geheimnis der Auster? „Auf jeden Fall die aphrodisierende Wirkung“, meint Bernard augenzwinkernd.

Franzosen schwören auf ihre betörende Wirkung

Giacomo Casanova, der berühmteste Liebhaber aller Zeiten, soll täglich mehrere Dutzend verspeist haben. Auch wenn die Wissenschaft bislang keinerlei Beweis dafür gefunden hat, dass die glibbrige Delikatesse mit dem nussigen Geschmack die Liebeskraft stärkt: Die meisten Franzosen schwören auf ihre betörende Wirkung. Französinnen lieben Austern auch, weil sie ihnen zu glatter Haut und einer schlanken Figur verhelfen.

Kopfzerbrechen bereitet den Austernzüchtern der heimtückische Virus, der ganze Austerngärten hinwegrafft. Stellenweise bricht die Produktion um 90 Prozent ein, erste Betriebe haben schon aufgegeben. Bernard und Sophie haben sich deshalb ein zweites Standbein geschaffen: Venusmuscheln, Riesengarnelen und „Salicorne“, ein ziemlich unbekanntes salziges Gemüse.

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Von Die Zeus-Reporterinnen Sophie Gäng und Melike Koymali, Sophie-Scholl-Gymnasium Oberhausen, Klasse 8 e