Erlangen.. Ohne Übung lässt die Leistung nach, aber stupides Lernen ergibt auch keinen Sinn. Professor Siegfried Lehrl aus Erlangen erklärt, wie man die geistige Leistungsfähigkeit verbessern kann.

Das Thema „Geistige Fitness“ ist in Deutschland riesengroß. Als die Deutschen Ende 2008 nach ihren persönlichen Zukunftswünschen gefragt wurden, sagte die überwältigende Mehrheit: fit bleiben im Kopf. Siegfried Lehrl (69) forscht seit Jahrzehnten, wie man die geistige Leistungsfähigkeit messen und fördern kann. 1981 erfand er mit Kollegen den Begriff „Gehirnjogging“. Der Professor aus Erlangen erklärt, was Intelligenz ausmacht und was Sie tun können, um den Kopf zu trainieren.

Welche Voraussetzungen müssen für geistige Fitness erfüllt sein?

Das Gehirn, sagt Siegfried Lehrl, sei in erster Linie: ein Organ. Es müsse ernährt werden. Gesundes Essen und ausreichendes Trinken seien wichtig, hinzu komme „ein qualitativ guter Schlaf von täglich sechs bis neun Stunden“ sowie ausreichend Bewegung und die Tüchtigkeit der Sinne.

Was bedeutet Sinnestüchtigkeit?

Geistige Fähigkeiten nehmen ab, wenn Menschen nicht richtig sehen oder hören können, sagt Lehrl. Das gelte für ältere wie für junge gleichermaßen. Werden Defizite nicht behoben, baut das Gehirn ab. Wichtig auch: der Gleichgewichtssinn. Gestört sei dieser, „wenn man keine drei Sekunden auf einem Bein stehen kann“. Lehrl empfiehlt: Beim Zähneputzen üben, jeden Tag.

Was befeuert, abgesehen davon, die geistige Fitness?

Das Gehirn brauche Anregungen, sagt Siegfried Lehrl. Ohne „Futter“ nutze auch die tadellose Funktionstüchtigkeit des Organs nichts. „Wir sollten dabei erkennen, was relevant ist, wichtig für unser Leben.“ Es ergebe keinen Sinn, stupide irgendetwas zu lernen. Die Frage „Bringt mir das was?“ stehe im Mittelpunkt.

Ist Intelligenz angeboren?

Der Intelligenzquotient ist starr. „Das habe ich noch so gelernt“, sagt Lehrl. Heute sei die Forschung davon überzeugt, dass dies nicht stimme. Studien hätten gezeigt: Bis 1995 habe sich die durchschnittliche Intelligenz in den Industrienationen in Abständen von 20 Jahren um drei bis fünf Punkte erhöht. Grund: bessere Bildung, bessere Ernährung. Und: Bei regelmäßigem Training könne der Mensch seinen IQ um bis zu 20 Punkte steigern.

Was muss dazu trainiert werden?

Die Intelligenzpsychologie sagt, dass es zwei wichtige Größen gibt: „Die Geschwindigkeit der Informationsverarbeitung und die Merkspanne“, sagt Lehrl. Intelligente Menschen könnten sieben zum Teil komplexe Einzelheiten gleichzeitig berücksichtigen.

Was bringt mir das?

Menschen können sich besser entfalten, sie finden womöglich einen anderen Platz in der Gesellschaft, haben mehr Freude am Leben, engagieren sich wieder. Auch für den Alltag sei nachgewiesen: Senioren, die ihr Gehirn trainierten, hätten mehr Umsicht im Straßenverkehr und könnten Nachrichten besser und schneller verstehen.

Wie oft muss ich trainieren?

„Jeden Tag“, sagt Siegfried Lehrl. Ohne Übung, baut das Gehirn sehr schnell ab. Dazu reicht es schon einen Job zu haben, in dem nur noch Routine herrscht. Oder: ein längerer Krankenhausaufenthalt beziehungsweise ein Urlaub, in dem Sie nur faulenzen. Lehrl: „Es ist nachgewiesen, dass viele Schüler in den Ferien dümmer werden.“

Wie kann ich auch ohne spezielles Fitnessprogramm fürs Gehirn meinen Geist trainieren?

Zweimal täglich 30 bis 90 Minuten mit Lebenswichtigem, Anspruchsvollem beschäftigen. Das könne – ein Beispiel – das Schreiben eines komplexen Briefes ans Finanzamt sein. „Dabei müssen Menschen ihre optimale Geschwindigkeit finden“, sagt Lehrl. Sie dürften nicht unter-, aber auch nicht überfordert sein.

Kann ich das Gehirn aufs Training vorbereiten?

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Ja. Sie können den Arbeitsspeicher des Gehirns hochfahren. Das kann auch nach der Mittagspause am Arbeitsplatz von Vorteil sein. Die Übungen dürften dazu nicht zu schwer sein. Beispiel: In einem Gewimmel suchen und finden Sie Figuren und streichen diese durch. Oder Sie suchen bestimmte Figur-Anordnungen, die Sie anstreichen. Die Bewegung der Hand unterstützt das Hochfahren des Speichers. „Sie werden immer schneller und optimistischer. Sie sind nach drei bis zehn Minuten voll da“, sagt Lehrl. Dann allerdings sollte die wirkliche Aufgabe beginnen.

Welchen Wert haben Kreuzworträtsel, Sudoku oder das Auswendiglernen von Telefonnummern?

„Vom Auswendiglernen halte ich nichts. Kreuzworträtsel und Sudoku sind besser, als nichts zu tun“ sagt Siegfried Lehrl.

Wann braucht das Gehirn Pausen?

Spätestens nach 90 Minuten. Lehrl: „Sie sollten in den Pausen nicht reden. Suchen Sie sich einen Ort an dem Sie nicht gestört werden.“