Essen. Der Tatort aus Leipzig bietet bittere Erinnerungen und tragische Familienkonflikte. Doch so rasant der Fall auch beginnen mag, er flacht ganz schnell ab und landet in der Abteilung Routineermittlung.
Das ist selbst für Frau Hauptkommissarin ein bisschen viel Krimi. Ihre Halbschwester, die sie noch nie im Leben gesehen hat, ruft urplötzlich an, weil sie Hilfe braucht, und dann wird sie vor den Augen der Polizistin von vermummten Typen in einen Wagen gezerrt und entführt. So rasant dieser Leipziger "Tatort: Türkischer Honig" (ARD, Neujahr, 20.15 Uhr) auch beginnen mag, er flacht ganz schnell ab und landet in der Abteilung Routineermittlung.
Die Vergangenheit schiebt sich Stück für Stück in die Gegenwart, das hat bei den Leipzigern ja schon Methode. Diesmal erfindet Drehbuchautor Andreas Pflüger eine Halbschwester aus Zypern namens Julia (Josefine Preuß) für Eva Saalfeld (Simone Thomalla), die nun auch ihren Ganovenvater (Günter Junghans) im Knast aufsuchen muss, weil er womöglich mit der Entführung was zu tun hat. Den alten Herrn hatte die Ermittlerin in einer anderen MDR-Tatortfolge vor ein paar Jahren höchstpersönlich eingebuchtet; eine knappe Rückblende hilft uns auf die Sprünge.
Tragische Familienkonflikte und bittere Erinnerungen
Bittere Erinnerungen und tragische Familienkonflikte, darum bauen Pflüger und Regisseurin Christine Hartmann die Geschichte, die einen seltsam kalt lässt, weil sich die behauptete Dramatik nie wirklich erschließt. Auch nicht, als die Entführte auf einmal wieder auftaucht und ihre Verwandte fortwährend an der Nase herumführt, weil sie ihr nicht verzeihen mag, den gemeinsamen Vater einst verhaftet zu haben.
Das müssten schauspielerische Schwergewichte austragen. Doch das Zusammenspiel der talentierten Josefine Preuß und der nicht so talentierten Simone Thomalla bleibt kühl und schal. Da zündet’s schon eher zwischen Thomallas Kollegen Martin Wuttke und einer jungen Halbwelt-Type, für die der harte Polizeihund Keppler Sympathie entwickelt und sich, Achtung, sogar mal ein Lächeln abringt. Wuttke, diesem großen Darsteller, gönnt die Regie wie stets ein paar coole Auftritte, aber das allein reicht diesmal auch nicht für einen unterhaltsamen Abend.
Schlagfertiger Großkotz mit Maßanzügen und Mustang-Cabrio
Saalfeld und Keppler ermitteln in der gehobenen türkischen Gemeinde; ein reicher Geldverleiher wird erstochen, Sohn Ersoy (Denis Moschitto), ein schlagfertiger Großkotz mit Maßanzügen und Mustang-Cabrio, ist verdächtig, nicht nur, weil man ihn bei der Leiche findet. Dass Saalfelds Halbschwester, die in einem türkischen Café aushilft, und ihr Freund (Marek Harloff) Schulden bei dem Mann hatten, könnte auch als Motiv taugen, ihn zu beseitigen. Dass dieser Ersoy mal was hatte mit Julia, verkompliziert die Dinge in dem Tatort zusätzlich, und schließlich muss man auch den Entführern noch auf die Schliche kommen.
Irgendwann bringt das Polizistenduo zwischen türkischer Folklore und soziokultureller Erhellung Licht in dieses Multikulti-Dickicht. Aber das rührt einen dann auch nicht mehr.