Dortmund/Mönchengladbach.. Güterzüge dürfen mit bis zu 120 Stundenkilometern an Bahnsteigen entlang fahren. Dadurch entstehen gefährliche Luftverwirbelungen mit Sogwirkung. Insgesamt 54 Unfälle auf Bahnsteigen ereigneten sich zwischen 2006 und 2010. Experten fordern nun eine bessere Aerodynamik der Züge.
Es sollte ein vergnügter Ausflug der Kindertagesstätte Hochneukirch in den Krefelder Zoo werden. Aber bereits am Bahnsteig wäre er fast in einer Katastrophe geendet. Eine Mutter stellte einen Buggy am Bahnsteig ab. Während alle noch am Fahrkartenautomat standen, raste ein Güterzug vorbei. Der Buggy wurde vom Sog des Zuges mitgerissen. Das Glück der Mutter: Sie hatte das Kind nur wenige Minuten vorher aus dem Wagen genommen.
Gefährliche Luftverwirbelungen mit Sogwirkung
„Güterzüge dürfen mit bis zu 120 Stundenkilometern an Bahnsteigen entlang fahren. Dadurch entstehen gefährliche Luftverwirbelungen mit Sogwirkung“, erklärt Prof. Dr. Markus Hecht, Direktor des Instituts für Land- und Seeverkehr der Technischen Universität Berlin.
„Der Buggy wurde durch die Luft gewirbelt und anschließend auf die Schienen geschleudert. Er war total zerstört“, sagt Jürgen Hansen, Leiter der Kindertagesstätte, und macht damit die Gefahr deutlich, die von einer solchen Luftverwirbelung ausgeht.
Wichtig ist Jürgen Hansen, immer wieder zu betonen, dass der Buggy hinter der weißen Linie abgestellt wurde. Diese befindet sich in einem Abstand von 80 Zentimetern zur Bahnsteigkante. Prof. Dr. Hecht sieht diese Sicherheitslinie im Normalfall als ausreichend an. Andere Experten sehen das allerdings anders.
Das Problem ist die unaerodynamische Form der Güterzüge
Aus Sicht des Wissenschaftlers sei auch die hohe Geschwindigkeit der Züge nicht das Problem, sondern, gerade bei Güterzügen, die unaerodynamische Form. „Güterzüge sind sehr unregelmäßig geformt. Besonders die Wagenübergänge sind das Problem“, erklärt der Professor. Zwischen den einzelnen Wagen käme es dadurch zu den Luftverwirbelungen mit Sogwirkung. Güterzüge müssten nach Meinung des Wissenschaftlers aerodynamischer gestaltet werden.
„Die Züge langsamer fahren zu lassen ist keine Option, das würde die Kosten zu sehr in die Höhe treiben“, Eine aerodynamischere Form dagegen würde außerdem Energiekosten einsparen.
Im Personenfernverkehr werden bereits aerodynamischer gestaltete Züge eingesetzt, wie beispielsweise der ICE. „Bei dieser Art von Zug entsteht die Hauptsogwirkung am Ende, also dann, wenn der Zug schon weg ist“, erklärt der Experte. Es könne aber auch zu kleineren Verwirbelungen zwischendurch kommen, besonders im Übergang von der Lock zum ersten Wagen. „Die größere Gefahr durch Sogwirkung liegt aber bei den Güterzügen“, sagt Professor Hecht.
Insgesamt 54 Unfälle auf Bahnsteigen ereigneten sich zwischen 2006 und 2010 auf deutschen Bahnsteigen. Davon endeten 18 tödlich, wie ein Sprecher des Eisenbahnbundesamtes bestätigte.
Eine Möglichkeit, Reisende an Bahnsteigen besser zu schützen, sehe der Professor darin, anstatt der weißen Linie, die schnell übertreten werde, Lichtschranken einzusetzen. „Diese sollten dann beim Übertreten ein akustisches Warnsignal abgeben“, erklärt er. So könne verhindert werden, dass die Linie ausversehen übertreten werde. „Auch unvorsichtige Reisende, die sich nicht an die Begrenzung halten, könnten abgeschreckt werden“, sagt Hecht. Per Lautsprecher müssen übrigens nur Züge angekündigt werden, die über 160 Stundenkilometer schnell fahren. Das aber trifft auf Güterzüge nicht zu.