Braunschweig. Die Sperrung der A2 nach der Massenkarambolage am Sonntagabend wurde aufgehoben. Während die Einsatzkräfte nach einer arbeitsreichen Nacht ins Bett fallen, beginnt für die Kriminal- und Ermittlungsdienste und die Autopolizei die Arbeit: Sie müssen ein riesiges Puzzle zusammensetzen.

Er muss sich konzentrieren. Solche Zahlen ist man bei der Autobahnpolizei Braunschweig nicht gewöhnt. Und die ändern sich ständig. Außerdem ist Ehlers bei der Mittagsbesprechung mit seinem Chef Hubert Schwaninger schon acht Stunden im Dienst. „Ich habe noch nicht gefrühstückt", sagt er.

Alle Unfälle werden in den Computer getippt

Hubert Schwaninger, Chef der Autobahnpolizei Braunschweig, bespricht mit seinen Mitarbeitern nach der Unfall-Serie auf der A 2 das weitere Vorgehen.
Hubert Schwaninger, Chef der Autobahnpolizei Braunschweig, bespricht mit seinen Mitarbeitern nach der Unfall-Serie auf der A 2 das weitere Vorgehen. © Hildebrandt, Uwe | Hildebrandt, Uwe





Als Ehlers um fünf Uhr zur Arbeit kam, trudelten nach und nach seine Kollegen von der A 2 ein. Sie hatten im Akkord Unfälle aufgenommen und den Rettungseinsatz der Feuerwehren und Sanitäter unterstützt. Nun mussten sie zumindest die Unfälle mit Verletzten sofort in den Computer eingeben, das ist Pflicht. Um 8 Uhr wurde die Autobahnsperrung aufgehoben. Als die Einsatzkräfte daheim erschöpft ins Bett fallen, ist es schon 9 Uhr oder später.

Der von Hans-Hermann Ehlers geleitete Kriminal- und Ermittlungsdienst muss nun das Chaos ordnen. Drei der sechs Mitarbeiter sind allerdings im Urlaub. „Und es klingeln ja ständig die Telefone", erzählt Ehlers: „Da wollen Leute wissen, wo ihr Auto ist. Es rufen schon Rechtsanwälte an, die von Unfallbeteiligten eingeschaltet wurden. Und Versicherungen wollen wissen, wer bei einem bestimmten Unfall der Verursacher war..."

Viele Leute sind auf der Suche nach ihrem Auto

Ihre Autos suchen all jene, die in der Nacht medizinisch behandelt werden mussten und beim Abschleppen gar nicht dabei waren. Auch die Autobahnpolizei muss wissen, wo die Autos jetzt stehen, denn sie sind unter Umständen Beweismittel.

„Es ist hier wie im Taubenschlag", sagt Autobahnpolizei-Chef Schwaninger zu Beginn der Lagebesprechung um 13 Uhr. „Uns ist es gelungen, schon 90 Prozent der Daten zu ordnen", sagt der 60-Jährige zufrieden. Sprich: Die meisten Verletzten und die meisten beschädigten Autos sind nun schon den von den Beamten vor Ort erfassten Unfällen zugeordnet.

Vernehmungen im Krankenhaus

Auch vier Polen verletzten sich bei den A 2-Unfällen, berichtet Günter Süß: „Ich habe schon die Botschaft in Hamburg verständigt, damit die Angehörigen in der Heimat informiert werden können."

Helfer und Rettungswagen sammeln sich am Sonntag an der A2.  Foto: ddp
Helfer und Rettungswagen sammeln sich am Sonntag an der A2. Foto: ddp © ddp | ddp





Bei den ausländischen Unfallbeteiligten werden Ehlers und Süß heute oder morgen auch noch persönlich im Krankenhaus vorbeischauen. Sie werden die Verletzten dort vernehmen. „Wenn die Möglichkeit einer fahrlässigen Körperverletzung besteht, dann müssen wir eine Sicherheitsleistung einziehen. Das können zum Beispiel 300 Euro sein", erläutert Schwaninger. Wer nicht zahlen kann, der muss auch schonmal seinen Fotoapparat rausrücken.

Das Wetter ist nicht alleine Schuld am Massenunfall

Bei der Aufarbeitung des Unfalldramas spielt natürlich auch die Ursachensuche eine große Rolle. „Der überwiegende Teil der Aussagen, die wir bis jetzt haben, zeichnet ein klares Bild", fasst Hubert Schwaninger zusammen: „Als der Starkregen aufhörte, schien plötzlich die tiefstehende Sonne den Fahrern ins Gesicht. Die dann aufspritzenden Gischt erschwerte die Sicht erheblich."

Für Schwaninger ist dieses Wetterphänomen aber keine ausreichende Entschuldigung für die Unfälle: „Schon allein wegen des vorherigen Schlagregens hätten die Fahrer die Geschwindigkeit doch erheblich absenken und den Abstand zum Vorwagen erweitern müssen."

Fakten sammeln, Protokolle schreiben, Ursachen untersuchen

Durcheinander auf der A2: Bei einer Massenkarambolage krachen 247 Autos  zusammen. Foto: ddp
Durcheinander auf der A2: Bei einer Massenkarambolage krachen 247 Autos zusammen. Foto: ddp © AFP | AFP





Es kommen aber auch Angehörige oder Unfallbeteiligte einfach in der Dienststelle vorbei und schütten ihr Herz aus, wie die Polizisten erzählen. Dann sei es wichtig, den Stress abzulegen und einem Moment geduldig zuzuhören.

Zwischendurch seufzt Polizeihauptkommissar Ehlers einmal. „Seit ich hier arbeite, habe ich so etwas noch nicht erlebt, so viele Fahrzeuge, so viele Verletzte." Ehlers arbeitet seit fast 25 Jahren bei der Autobahnpolizei. Obwohl er gerade so unter Druck steht, wirkt er sehr gefasst und ruhig. Genauso wie sein Chef Schwaninger, der am Sonntag um 19.30 Uhr von seiner Dienststelle alarmiert wurde. Er hat die Nach durchgemacht. Seine Frau hatte ihm noch schnell zwei Stullen in die Hand gedrückt.

Trinken sie alle wirklich nur Wasser bei der Autobahnpolizei? „Naja", sagt Schwaninger, „zwei, drei Tassen Kaffee waren schon dabei".

Lesen Sie auch