Ingolstadt. Ein bewaffneter Mann hatte vier Menschen im Rathaus von Ingolstadt in seine Gewalt gebracht. Laut dem bayerischen Innenministers ist der Geiselnehmer ein 24-jähriger Stalker, der schon länger einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung nachstellt. Um kurz vor sechs wurde die Geiselnahme beendet.

Ein lauter Knall schreckt die Schaulustigen auf und beendet neun Stunden
Nervenkrieg. Zwei Schüsse sind aus Richtung des Ingolstädter Alten Rathauses zu
hören, wo ein Geiselnehmer seit dem Morgen mehrere Mitarbeiter der
Stadtverwaltung mit einer Pistole bedroht. Kurz darauf überbringt ein Polizist
die Botschaft: Ein Spezialeinsatzkommando hat den Täter überwältigt und die
verbliebenen zwei Geiseln unverletzt befreit. Der 24-jährige Täter wurde dabei
an Schulter und Bein getroffen und verletzt.

Die oberbayerische Universitätsstadt hatte an diesem Montag
eigentlich hohen Polit-Besuch erwartet: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wollte am
Nachmittag auf dem Rathausplatz sprechen. Doch dann dringt gegen 9.00 Uhr der
Bewaffnete ins Rathaus ein und bringt zunächst vier Menschen in seine Gewalt.
Plötzlich stehen der Transporter mit dem Konterfei der Kanzlerin und die
bereitgestellten Bierbänke mitten in der Sperrzone, der Platz ist verwaist,
abgesperrt. Statt Unions-Wahlkämpfern überall Polizisten und Sanitäter.

Stalker hatte Hausverbot in der Stadtverwaltung

Eine Geisel lässt der 24-Jährige schnell frei, für die übrigen folgt
eine lange Ungewissheit. Einem der Opfer hatte der 24-Jährige monatelang
nachgestellt. "Das war mehr als Stalking", sagt der Ingolstädter
Oberbürgermeister Alfred Lehmann am frühen Nachmittag. Ihm steht der Schweiß auf
der Stirn. Mehrere Mitarbeiter hatte der Mann bedroht, Mitarbeiterinnen sexuell
belästigt. Erst kürzlich verurteilte ein Gericht ihn zu einer Bewährungsstrafe
wegen Nachstellung, Beleidigung, Körperverletzung. In der Ingolstädter
Stadtverwaltung gilt für den Mann Hausverbot. "Das machen wir ganz selten",
betont Lehmann. "Es hatten Leute Angst vor ihm."

Der CSU-Politiker kann sich aus dem Gebäude in Sicherheit bringen -
anders als der Dritte Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler), den der
Geiselnehmer ebenso bedroht wie die von ihm belästigte Mitarbeiterin. Nach
stundenlangen Gesprächen zwischen Polizei und Täter kommt am Nachmittag die
erste gute Nachricht: Mißlbeck ist frei.

Am Tatort herrscht eine Mischung aus reger Betriebsamkeit und
angespannter Stille. Beamte eilen umher, Funksprüche quaken, in einer
Nebenstraße warten zwei schwere Räumpanzer der Polizei. SEK-Beamte steigen aus
Kleinbussen mit getönten Scheiben, Maschinenpistolen um den Hals. Immer wieder
meldet Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer: keine neue Lage. Der Täter spricht
mindestens jede halbe Stunde mit den Verhandlungsprofis der Polizei. Konkrete
Forderungen gebe er nicht ab, eher Erklärungen, erzählt Kammerer. Nur beim
Wunsch nach Verpflegung wird der 24-Jährige konkret: Ein Döner soll es sein -
und den bekommt er auch.

Polizei startete Ablenkungsmanöver

Derweil trinken einige Neugierige an den Imbissstuben auf dem
benachbarten Viktualienmarkt der oberbayerischen Stadt gemütlich ihr Bier. Der
Platz ist rundherum mit rot-weißem Flatterband abgesperrt, doch ihren Logenplatz
gleich neben der Einsatzzentrale geben sie nicht auf. "Wir sind illegal hier",
sagt ein Mann grinsend. "Ich hab gedacht, das ist für die Merkel", kommentiert
er das Großaufgebot an Blaulicht und Uniformen. Andere spekulieren über einen
politischen Hintergrund oder die Psyche des Täters - Gerüchte, die Polizei hält
sich aus taktischen Gründen mit Angaben zum Täter und zum Motiv zurück.

"Wir haben Zeit", heißt es von der Polizei. Offensichtlich ein
Ablenkungsmanöver, denn kurz darauf, um 17.43 Uhr, greift das SEK zu. Eine
Notärztin und Sanitäter rennen in Richtung des Rathauses. Kurz darauf tragen die
Spezialkräfte ihre schwere Ausrüstung in Richtung ihrer Fahrzeuge. Das Drama ist
vorbei. (dpa)

Die Ereignisse des Tages in der Chronik

17.51 Uhr: Die Geiselnahme im Rathaus von Ingolstadt ist beendet. Nach Angaben der Polizei sind die beiden letzten Geiseln unverletzt frei, auch der Täter sei am Leben.

17.44 Uhr: Nach Informationen des Ingolstädter "Donaukuriers" befindet sich der Psychiater des 24-Jährigen mittlerweile im Rathaus und spricht mit seinem Patienten. Die Polizei wollte diese Information nicht direkt bestätigen. Ein Polizeisprecher räumte jedoch ein, dass die Einsatzkräfte von Beratern unterstützt werden, die die psychische Situation des Geiselnehmers kennen.

16.39 Uhr: Auch rund sieben Stunden nach Beginn der Geiselnahme wird das Rathaus von Polizisten abgeriegelt, mehr als 200 Beamte sind im Einsatz. Ein Spezialeinsatzkommando bereitet sich auf einen möglichen Einsatz vor. Die Freilassung des Bürgermeisters war laut Polizei das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Beamten und dem Geiselnehmer. Der 69 Jahre alte Kommunalpolitiker (Freie Wähler) wurde zunächst von den Ermittlern vernommen. "Selbstverständlich ist er beeindruckt von dem, was er den ganzen Vormittag erdulden musste, aber er scheint zumindest körperlich absolut gesund", sagte Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Auch den anderen beiden Geiseln gehe es den Umständen entsprechend gut.

16.26 Uhr: Wegen der Stalking-Vorwürfe ermittelt die Polizei nach eigenen Angaben seit rund einem Jahr gegen den Geiselnehmer von Ingolstadt. Der 24-Jährige stelle weiterhin keine konkreten Forderungen, sagte ein Polizeisprecher. Zuletzt seien ihm aber Tabletten ins Rathaus gebracht worden. Zudem habe der Mann inzwischen Essen verlangt.

16.20 Uhr: Auch ein für 19.00 Uhr geplanter Wahlkampfauftritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) in Regensburg wurde abgesagt. Das teilte die CSU mit.

16.17 Uhr: In Ingolstadt ist es derzeit vergleichsweise ruhig. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe lässt in Berlin derweil mitteilen, Angela Merkel und Horst Seehofer seien wegen der Situation in Ingolstadt in "intensivem persönlichen Kontakt". Alle hofften auf ein "baldiges und unblutiges Ende der Geiselnahme". Wegen der Geiselnahme war eine für den Nachmittag auf dem Rathausvorplatz geplante Wahlkampfveranstaltung mit den beiden Spitzenpolitikern abgesagt worden.

15.37 Uhr: Nach Angaben der Polizei stellte der 24-jährige Mann eine Forderung. Zu deren Inhalt äußerte sich der Sprecher aber nicht genauer. Es habe sich allerdings nicht um eine Geldforderung gehandelt. Die Beamten stünden im Kontakt mit dem Täter, die Verhandlungen mit dem Mann liefen.

15.32 Uhr: Die erste Freilassung war laut Polizei das Ergebnis von Verhandlungen zwischen den Beamten und dem Geiselnehmer. Den anderen beiden Geiseln gehe es gut, sagte ein Polizeisprecher. Das Rathaus wird weiterhin von Polizei und Spezialeinsatzkommando abgeriegelt.

Täter hat wohl mehrere Vorstrafen

14.38 Uhr: In der Gewalt des 24 Jahre alten Geiselnehmers seien weiterhin eine Frau und ein Mann, so die Polizei. Beiden gehe es soweit gut. Bei der Frau soll es sich um die Mitarbeiterin der Stadtverwaltung handeln, die seit längerer Zeit von dem 24-Jährigen verfolgt wird.

14.18 Uhr: Fünf Stunden nach Beginn der Geiselnahme im Rathaus von Ingolstadt ist der dritte Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler) frei. Dies bestätigte die Polizei.

14.07 Uhr: "Er möchte, dass wir einen Bescheid aufheben", sagte Ingolstadts Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) über das Motiv des Geiselnehmers. Um welchen Bescheid es gehe, sei bisher nicht bekannt. Möglicherweise handele es sich um das Hausverbot für die Rathäuser der Stadt, das gegen den Täter erlassen wurde.

13.50 Uhr: Der Ingolstädter Oberbürgermeister Alfred Lehmann (CSU) war selber vor Ort, als die Geiselnahme in einem anderen Büro des Rathauses begann. Die Polizei habe am Morgen alle Mitarbeiter aufgefordert, das Rathaus zu verlassen, berichtete Lehmann. Über den Täter sagte er: "Der Begriff Stalker erscheint mir etwas verharmlosend, weil er doch eine ganze Liste von Vorstrafen hat, die weit über das hinausgeht, was man als Stalking bezeichnet." Lehmann geht davon aus, dass unter den Geiseln auch das Stalking-Opfer ist.

Geiselnahme in Ingolstadt

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. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lässt sich in der Nähe des Alten Rathauses die Lage erläutern.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lässt sich in der Nähe des Alten Rathauses die Lage erläutern. © dpa | dpa
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lässt sich in der Nähe des Alten Rathauses die Lage erläutern.
Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) lässt sich in der Nähe des Alten Rathauses die Lage erläutern. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen.
Im bayerischen Ingolstadt hat ein Mann wenige Stunden vor einem geplanten Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel Geiseln genommen. © dpa | dpa
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13.26 Uhr: Der Geiselnehmer ist nach Angaben der Polizei vorbestraft. "Wir warten, bis er konkrete Forderungen stellt", sagte der Polizeivizepräsident beim Polizeipräsidium Oberbayern, Günther Gietl. "Wir sind derzeit mit 208 Einsatzkräften im Einsatz."

13.15 Uhr: Der Geiselnehmer ist nach Angaben der Polizei ein 24 Jahre alter, wohnsitzloser Mann. In den Rathäusern der Stadt habe er ein Hausverbot gehabt, weil er seit längerem einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung nachstellte und andere Angestellte bedroht hatte.

Geiselnehmer ist bewaffnet und hat bisher keine Forderungen gestellt

13.10 Uhr: Nach Angaben von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) hat der Geiselnehmer drei Menschen in seiner Gewalt. Der Täter sei ein Stalker, der seit längerem einer Mitarbeiterin der Stadtverwaltung nachstellt.

13.03 Uhr: "Wir alle hoffen und bangen, dass diese Geiselnahme glimpflich ausgeht", schrieb die in Ingolstadt wohnende bayerische Sozialministerin Christine Haderthauer (CSU) auf Facebook.

12.53 Uhr: Der Geiselnehmer hat mindestens drei Menschen in seiner Gewalt. Die Polizei geht davon aus, dass darunter auch Ingolstadts Dritter Bürgermeister Sepp Mißlbeck (Freie Wähler) ist. Der Täter sei ein junger Man mit Faustfeuerwaffe, sagte Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Ob die Waffe scharf oder nur eine Schreckschusspistole ist, sei bisher unklar. Der Täter habe bisher keine Forderungen gestellt. Eine Verhandlungsgruppe der Polizei stehe ihm Kontakt zu ihm.

12.39 Uhr: Der für 17 Uhr geplante Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) an dem inzwischen gesperrten Rathausplatz in Ingolstadt ist abgesagt worden. Dies teilte die CSU-Landesleitung mit.

12.33 Uhr: Immer mehr Mannschaftswagen der Polizei treffen am Ingolstädter Rathausplatz ein.

12.27 Uhr: Die Polizei grenzt die Zahl der Geiseln ein. Die Zahl liege im einstelligen Bereich, sagte ein Polizeisprecher. Genauere Erkenntnisse liegen bislang nicht vor.

12.25 Uhr: Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ist in Ingolstadt eingetroffen.

Schaulustige und Fernsehteams sammeln sich am Ingolstädter Rathaus

12.24 Uhr: Mehrere Schaulustige und Fernsehteams haben sich rund um den abgesperrten Rathausplatz versammelt. "Die stehen da und warten, dass was passiert", sagte eine Verkäuferin, die in der Nähe des Platzes arbeitet. Die Polizei hat das Gelände weiträumig abgesperrt. Ein Café direkt am Rathausplatz ist noch geöffnet. "Wir verköstigen jetzt die Einsatzkräfte", sagte ein Mitarbeiter. Auch die Sparkasse direkt am Platz ist für Kunden noch zugänglich.

12.11 Uhr: Der Wahlkampfauftritt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und dem bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (CSU) direkt an dem inzwischen gesperrten Rathausplatz in Ingolstadt ist bisher nicht abgesagt, heißt es in den Parteizentralen von CDU und CSU.

12.06 Uhr: Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) sagte der Zeitung "Donaukurier", es gebe keinerlei politischen Druck auf die Einsatzkräfte und keine Eile wegen der für den Nachmittag geplanten CSU-Wahlkampfveranstaltung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Wohl der Geiseln habe absoluten Vorrang. (afp/dpa)