Häfnerhaslach. Astrid Vollmer ist immer noch fassungslos. Diebe haben die reifen Trauben von den Weinreben ihrer Familie gestohlen. Das ist kein Einzelfall, insgesamt wurden in der Region schon über acht Tonnen Trauben geklaut. Die letzte Lösung für das Problem wäre die Sperrung der Wanderwege durch die Weinberger der Winzer.
"Das ist ein ganzes
Jahr harte Arbeit und am Ende kurz vor der Zielgeraden wird man gestoppt", sagt
die 22-jährige Astrid Vollmer resigniert. Der Schaden durch den Diebstahl beläuft sich laut
Vollmer auf 10.000 Euro, 1.700 Liter Wein hätte die Familie damit produzieren
können. Ein so massiver Fall ist der Polizei bislang noch nicht
untergekommen. "Es gibt immer wieder solche Geschichten mit Traubenklau, aber in der Größenordnung von 2,5 Tonnen,
das gab es noch nicht", sagt Peter Widenhorn von der Polizei Ludwigsburg.
Doch der Diebstahl bei Vollmers ist kein Einzelfall. Im Unterland
rund um Heilbronn sind laut Yvonne Schmierer von der dortigen Polizei in diesem
Jahr acht Tonnen Weintrauben gestohlen worden, insgesamt 13 Fälle wurden
angezeigt. Die größte Menge in einem Fall erbeuteten die Täter mit 1,5 Tonnen.
"Dass es so extrem ist wie in diesem Jahr, das habe ich noch nie erlebt", sagt
Schmierer.
Hermann Hohl, Präsident des Weinbauverbands Württemberg, pflichtet
bei: "Die Häufung ist schon extrem." Er berichtet, dass zuletzt in Brackenheim
sogar ein hochklassiger Lemberger geklaut wurde.
Keine heiße Spur zu Tätern
Wer die Täter sind, darüber können Polizei und Wengerter, so die
schwäbische Bezeichnung für Winzer, nur spekulieren. "Es hat Hinweise auf
Personen und Autokennzeichen gegeben, aber die haben alle nicht weitergeführt",
sagt Polizistin Schmierer. In Häfnerhaslach haben weder Spaziergänger noch
andere Winzer etwas gesehen - oder zumindest angegeben. Winzerin Vollmer
beschreibt den 600-Seelen-Ort als eingeschworene Gemeinschaft. Einigen sei es
wohl nicht so recht gewesen, als die aus Bietigheim-Bissingen stammende Familie
hier einen Weinberg übernahm, mutmaßt sie.
In Baden, dem anderen Weinbaugebiet des Landes, haben die Weinbauern
nicht Diebstahl zu kämpfen. "Bei uns ist das kein Thema", sagt Peter Wohlfarth,
Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands. Die Fälle in der Vergangenheit
seien auch nicht so massiv gewesen wie die in Württemberg.
Beim Weinbauverband Württemberg herrscht Ratlosigkeit. Mit besonderer
Sorge blickt Präsident Hermann Hohl auf die noch an den Rebstöcken hängenden
Trauben. Denn aus diesen Beeren sollen die edlen Eisweine hergestellt werden.
"Alles, was jetzt noch hängt, ist wertvoll." Wenn die Diebe jetzt zuschlügen,
wäre der Schaden um ein Vielfaches höher. "Es geht die Angst um, dass die
Trauben geklaut werden."
Diebe waren Weinkenner
Viel deutet für Winzerin Vollmer darauf hin, dass die Täter mit dem
Weingeschäft vertraut sind. Nur die reifen Trauben seien abgeerntet worden,
faule und vergorene Beeren blieben an den Reben. Die Familie geht davon aus,
dass vier oder fünf Leute tagsüber den Weinberg per Hand abernteten. Yvonne
Schmierer pflichtet ihr bei: "Ich denke schon, dass diejenigen, die die Trauben
ernten, sich auskennen."
Hinter vorgehaltener Hand wird in der Weinbauszene spekuliert, dass
die Diebe selbst Winzer sein könnten und sich wegen Ernteausfällen in ihrer
Existenz bedroht sähen. Im Frühjahr hatten Hagelschlag und Frost zahlreiche
Rebflächen zerstört. Für diese Theorie spricht, dass in manchen Fällen, wie im
pfälzischen Deidesheim, spezielle Erntemaschinen für den Diebstahl eingesetzt
wurden.
Polizei und Wengerter machtlos
Eine Lösung für das Problem ist ebenso wenig in Sicht wie die
Aufklärung der Diebstähle. Zäune seien unpraktisch, Kameras wegen fehlendem
Strom im Weinberg nicht einsetzbar und Sicherheitsdienste zu teuer, sagt
Vollmer. Polizeipatrouillen oder Feldschützen wären die einzige Möglichkeit,
aber in einer kleinen Gemeinde wie Häfnerhaslach "eher nicht" durchsetzbar.
Der Weinbauverband zieht als letztes Mittel eine sogenannte
Herbstverordnung in Betracht. Dann wären die Fußwege in den Weinbergen für alle
außer den Winzern gesperrt.
Schmierer sagt, dass die Polizei auch in den Weinbergen Streife
fahre. Das Gebiet sei aber zu groß, um alles abzudecken. Außerdem sei selbst
dann nicht gewährleistet, dass ein Dieb auffalle. "Die Traubenlese ist ja im
Gange. Es ist nicht feststellbar, ob der Weinberg demjenigen gehört, der ihn
aberntet."
Familie Vollmer will den Weinberg trotz allem nicht aufgeben. "Davon
lassen wir uns nicht einschüchtern", sagt Astrid Vollmer. Im kommenden Herbst
will Familie häufiger nach Häfnerhaslach fahren, um nach dem Rechten zu
sehen. (dapd/wca/tjs)