Dürfen Journalisten immer die Nationalität von Verdächtigen nennen? Darüber hat der Presserat entschieden und bleibt bei alten Regeln.
Berlin Der Deutsche Presserat hat entschieden, dass die Nationalität und Religion von Straftätern weiterhin nur dann genannt werden darf, wenn ein Bezug zur Tat besteht. Damit hält der Rat an seiner bisherigen Richtlinie zur Nennung der Herkunft von Straftätern fest.
Das Plenum des Gremiums sprach sich am Mittwoch in Berlin mit klarer Mehrheit für eine Beibehaltung der sogenannten Diskriminierungsrichtlinie aus, wie der Geschäftsführer des Presserats, Lutz Tillmanns, dem Evangelischen Pressedienst sagte. Nach einer Expertenrunde hätten 18 Mitglieder dafür gestimmt, drei hätten sich enthalten. Gegenstimmen habe es nicht gegeben. Die Regelung sieht vor, dass Medien die Herkunft oder Religion von Straftätern nur dann nennen, wenn ein „begründbarer Sachbezug“ zu der Straftat besteht.
Regelungen soll vor Vorverurteilung schützen
Die Richtlinie 12.1 war in den Pressekodex aufgenommen worden, um Minderheiten vor Vorurteilen zu schützen. Wörtlich lautet sie: „In der Berichterstattung über Straftaten wird die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.“
Die Vollversammlung des Presserats sei übereingekommen, dass die Richtlinie kein Sprachverbot und keinen Maulkorb für Medien darstelle, sagte Tillmanns. Auch den Vorwurf der Zensur wies er zurück. Die Redaktionen seien autonom in ihren Entscheidungen, wann sie die Nationalität mutmaßlicher Straftäter nennen und wann nicht, betonte Tillmanns. Zugleich erkenne man jedoch an, dass unter Journalisten Unsicherheit über die Anwendung der Richtlinie 12.1 herrsche. Geplant sei ein Leitfaden zur Auslegung der Regel, der den Redaktionen zur Verfügung gestellt werden soll.
Silvester-Übergriffe in Köln hatten Diskussion hervorgerufen
Der Diskriminierungsschutz war in den vergangenen Wochen verstärkt in die Kritik geraten, insbesondere in Zusammenhang mit der Berichterstattung über die Straftaten in der Kölner Silvesternacht. Einige Journalisten beklagten, die Regelung halte Medien davon ab, über Kriminalität von Ausländern und vor allem Flüchtlingen wahrheitsgetreu zu berichten. Zudem würden die Leser bevormundet. Auch Leser und Zuschauer übten Kritik an der Berichterstattung: Beim Presserat gingen dazu mehr als 20 Beschwerden ein.
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte sich vorab für den Erhalt des Diskriminierungsverbots stark gemacht und erklärt, dieser habe sich bewährt. Nach den Übergriffen in Köln hätten die Medien nicht wegen des Pressekodexes spät und zum Teil zurückhaltend berichtet, sondern wegen der Desinformation der Polizei, betonte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall.
Im vergangenen Jahr hatte der Presserat insgesamt 35 öffentliche Rügen ausgesprochen, jedoch nur eine wegen Verletzung der Ziffer 12. (epd)