Hamburg. Ein Gericht soll klären, ob drei Hamburger Mediziner mit falschen Abrechnungen 34 Millionen Euro kassierten. Die Schlüsselfigur fehlt.
Es ist der schillerndste Fall eines deutschen Ärztekrimis der vergangenen Jahre: Dreieinhalb Jahre nach der Insolvenz des Praxen-Imperiums Hanserad des Hamburger Radiologen Prof. Dr. Wolfgang Auffermann befassen sich nun die Richter mit dem mutmaßlichen Millionenbetrug. Doch der augenscheinliche Hauptdarsteller weilt in Dubai. Und mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hat Deutschland kein Auslieferungsabkommen. Es gibt lediglich ein „Ersuchen“, Auffermann aufgrund des Haftbefehls nach Deutschland zu bringen.
So startete die Serie von vorerst 19 Verhandlungstagen vor der Großen Strafkammer des Hamburger Landgerichts mit der Anklage gegen Auffermanns Ex-Partner Dr. S. und den früheren Geschäftsführer Dr. H. Sie sollen laut Anklage mit Auffermann bei den gesetzlichen Krankenkassen durch 51 Fälle von Abrechnungsbetrug mit Kontrastmitteln für einen Schaden von gut 34 Millionen Euro gesorgt haben. Beide halten sich für unschuldig.
Verteidiger musste in den Zuschauerraum
Und auch Auffermann hatte seinen Verteidiger Prof. Michael Nagel in den Verhandlungssaal nach Hamburg geschickt. Der Richter komplimentierte ihn aber hinaus. Der prominente Anwalt musste im Zuschauerraum Platz nehmen, ehe er den vielen Journalisten wenige Fragen beantwortet. Nagel sagte, Auffermann sei unschuldig. Solange es einen Haftbefehl gebe, komme er nicht nach Deutschland. Der Beschuldigte wolle alle Vorwürfe ausräumen – „wenn es ein faires Verfahren gibt“. Auffermann habe sich nicht bereichert. Im Gegenteil habe er sein Vermögen verloren.
Das stimmt. Auffermann musste nach der Pleite seiner Praxen um Hanserad auch Privatinsolvenz anmelden. In einem persönlichen Schreiben an das Insolvenzgericht Berlin-Charlottenburg, das dem „Hamburger Abendblatt“ vorliegt, schätzte er im Herbst 2013, dass er Gläubigern 35 Millionen Euro schulde. Nagel sagte – und das ist der Kern des Prozesses –, es gehe um eine Angelegenheit in der Sozialversicherung und nicht um Betrug im strafrechtlichen Sinne.
Denn auch der Ex-Manager H. ließ verkünden: Es habe keine illegalen Geschäfte gegeben. Das sieht die Staatsanwaltschaft anders. Die Betrugsfälle, die nur den Zeitraum von Juli 2011 bis zur Insolvenz Ende 2012 betreffen, sollen so abgelaufen sein: Radiologe Auffermann benötigt für seine diversen Praxen Kontrastmittel und bestellt es im Großhandel des Apothekers Dr. S. Der kauft es ein und bekommt Rabatte. Daran ist nichts auszusetzen. Doch die Kontrastmittel wandern zu Auffermann, der rechnet bei den Krankenkassen den „normalen“ Preis ab.
Prozess geht Mittwoch weiter
Dabei war Auffermann laut Anklage mit einer stillen Gesellschaft an den Rabattgewinnen von Dr. S. beteiligt. Der Vorwurf lautet also: Auffermann soll gewaltige Mengen bestellt und abgerechnet haben, die Rabatte aber nicht an die Kassen weitergegeben haben beziehungsweise an den Gewinnen des Händlers und Apothekers beteiligt gewesen sein.
Nach Abendblatt-Informationen lagerten zum Zeitpunkt der Hanserad-Pleite Ende 2012, als Auffermann nach Dubai floh, rund 3000 Liter Kontrastmittel bei Hanserad. Nach Schätzungen des Insolvenzverwalters hätte das ausgereicht, um Tausende Hanserad-Patienten zehn Jahre lang zu versorgen. Der Prozess wird am Mittwoch fortgesetzt.