Recklinghausen/Essen. Rossbraten oder Pferdeklöpse: Wenige Metzger haben sich auf diese umstrittenen Delikatessen spezialisiert. Zum Schlachter kommen vor allem alte Gäule. Der Skandal um falsch deklariertes Fleisch hat die bislang wenig beachtete Branche in den Blickpunkt gerückt.

Der Duft von Sauerbraten liegt in der Luft. Es ist Mittagszeit in der Gaststätte der Familie Hobbold in Recklinghausen. Die Tische sind gut besetzt. Die Gäste haben es auf die Spezialitäten abgesehen, die auf der Speisekarte stehen: Rossbraten, Fohlenschnitzel, hausgemachte Pferdeklöpse mit Soße und Sauerbraten vom Pferd – ein Familienrezept.

Bert Hobbold (43) ist einer der wenigen Pferdemetzger in Deutschland. Er führt den 1906 gegründeten Familienbetrieb bereits in der vierten Generation. Hobbold hat wenig Verständnis dafür, dass das Pferdefleisch nun derart in Verruf gerät: „Der Skandal ist die falsche Etikettierung“, sagt er. „Fleisch vom Pferd ist in der Regel qualitativ hochwertig.“ Fett- und cholesterinärmer als Schweine- oder Rinderfleisch sei es auch.

100 Metzger in ganz Deutschland

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Der Skandal um falsch deklariertes Fleisch hat eine bislang wenig beachtete Branche in den Blickpunkt gerückt. Die Zunft der Rossschlachter ist klein. In ganz Deutschland bieten lediglich rund 100 Metzger Pferdefleisch an, nur jeder zweite schlachtet selbst. Die Zahl der Betriebe sinkt von Jahr zu Jahr. In NRW wurden im vergangenen Jahr gerade einmal knapp 3000 Pferde geschlachtet. Bundesweit waren es 11 348 Rösser. Zum Vergleich: Im selben Jahr wurden 3,6 Millionen Rinder und 58,2 Millionen Schweine zerlegt.

Pferdemetzger Bert Hobbold.
Pferdemetzger Bert Hobbold. © dpa | dpa

Pferdefleisch – das ist in der millionenschweren Schlachtbranche ein Nischenprodukt. Nach wie vor haftet dem Pferdefleisch in Deutschland ein Stigma an. Der Ekelfaktor ist bei vielen Menschen hoch. Entsprechend klein ist die Nachfrage: Statistisch betrachtet lag der Pferdefleisch-Konsum pro Kopf und Jahr in Deutschland zuletzt bei 25 Gramm. Das hat seine Gründe. „Es gibt in Deutschland keine Massentierhaltung von Pferden, die dem Fleischgewinn dient“, sagt Hobbold. Industrielle Strukturen wie in anderen landwirtschaftlichen Produktionsketten sucht man vergebens.

Gezielt für die Lebensmittelindustrie werden Pferde in Deutschland nicht gezüchtet. Zum Schlachter kommen vor allem alte, ausgemusterte Gäule oder Fohlen mit einem angeborenen Gebrechen. Mit dem Alter eines Tieres werde das Fleisch nicht schlechter, sondern besser, so die Branche.

Ob ein Pferd am Ende seines Lebens geschlachtet wird, ist Sache des Besitzers. Die Deutsche Reiterliche Vereinigung rät ihren Mitgliedern dazu, dass sie ihre Pferde zunächst als „Schlachttiere eintragen“ lassen. Das wird in einem Pass festgehalten. Dort ist auch vermerkt, welche Medikamente das Tier bekommen hat. So soll auch geklärt werden, ob schädliche Stoffe für den Menschen darunter sind.

Pferdefleisch hat seinen Preis

Die Preise, die Metzger Hobbold für Pferde zahlt, liegen zwischen 30 und 80 Cent pro Kilogramm Lebendgewicht. Bei einem 600 Kilogramm schweren Tier beliefe sich die Summe beim Höchstpreis auf 480 Euro. Für einen großen Warmblüter können aber auch Preise bis zu 1000 Euro erzielt werden. Regelmäßige Marktnotierungen wie für Schweine- oder Rindfleisch gibt es nicht. Fohlen kauft Hobbold nur, wenn sich diese nicht richtig bewegen können oder unter Wachstumsstörungen leiden. Sie wären weder für die Zucht noch für den Verkauf geeignet – also bietet sich der Weg zum Schlachter an.

Er kenne die Ställe und Höfe, die seine Metzgerei beliefern, schon lange, sagt Hobbold. Ausgemusterte Sport- und Freizeitpferde, die ihren Dienst getan haben, werden zu Wurst und Gulasch verarbeitet.

Die Kundschaft von Hobbold jedenfalls scheint keine Vorbehalte gegen Pferdefleisch zu haben. Und nebenbei bemerkt: Der Sauerbraten von Familie Hobbold riecht nicht anders als das Traditionsgericht vom Rind.