Mattwil.. Erst duckte sich Jan Ullrich weg, dann gab er zu, einen fatalen Unfall mit zwei Verletzten und Riesenblechschaden unter Alkoholeinfluss gebaut zu haben. Der ehemalige Tour-de-France-Sieger nennt ihn einen „Riesenfehler, den ich zutiefst bereue“.

Er wirkte wie ein Wunderkind. Jan Ullrich war erst 23, als der Rostocker die Tour de France gewann: der erste Deutsche. Doch die Zeiten seiner großen Erfolge sind lange vorbei. Heute firmiert die Rad-Legende eher als gefallener Engel, dessen private Eskapaden Schlagzeilen machen. Nach Angaben der Schweizer Zeitung „Blick“ baute der Tour-Sieger einen Unfall mit zwei Verletzten und demolierten Autos. Dabei war Alkohol im Spiel.

Montagabend, Mattwil, Schweiz. Welliges Bauernland in der Nähe des Bodensees, in der Nähe von Ullrichs Wohnort Kreuzlingen. Die Abendsonne steht tief. An einer Kreuzung liegen drei demolierte Fahrzeuge. Drei Mal Totalschaden, sagt die Polizei laut „Blick“. Was ist passiert? Ullrich kracht mit seinem silberfarbenen Audi-Kombi, so will es die Zeitung von den Ordnungshütern erfahren haben, auf einen roten Citroën, der an der Kreuzung gewartet hat. Durch den Aufprall wird der Citroën gegen ein weiteres Fahrzeug geschleudert, einen weißen Alfa.

Ullrich hatte angeblich 1,4 Promille Alkohol im Blut

Die Polizei überprüft, ob Ullrich etwas getrunken hat. Laut „Blick“ weist ein Atemlufttest 1,4 Promille Alkohol nach. Genau das bestreitet Ullrich zunächst im Gespräch mit dem „Blick“: „Es war kein Alkohol im Spiel.“ Am Mittwoch lässt Ullrich indes erklären: „Es ist unverzeihlich, dass ich mich unter Alkoholeinfluss ans Steuer gesetzt habe. Das war ein Riesenfehler, den ich zutiefst bereue.“

Klare Worte. Ullrichs erste Reaktion hat noch fatale Erinnerungen an frühere Zeiten geweckt. Wegreden, wegducken.

1997 geht Jan Ullrichs Stern auf

Das ist 1997 allerdings nicht nötig. Damals geht Ullrichs Stern auf. Der Jungprofi brettert in Frankreich mit einem Tempo und einer Leichtigkeit über steilste Alpenpässe, die die Konkurrenz neidisch macht – und jeden Mofa-Fahrer. Im Kampf gegen die Uhr hängt Ullrich seine Mitbewerber ab.

Der Erfolg nötigt den Mitbewerbern Respekt ab. Zum Volkshelden wird Ullrich aber ausgerechnet dadurch, dass er in den unvermeidlichen TV-Interviews linkisch wirkt. Öffentliche Auftritte sind ihm beinahe peinlich. Ullrich weckt Bemutterungsinstinkte. Ihm fliegen die Herzen zu. Er macht den Randsport Radsport zur Massenbewegung.

Die Übertragungen des härtesten Radrennens der Welt werden zum quotenträchtigen Sommer-Theater. Blut, Schweiß und Tränen. Und Gelb-Fieber. Das Drama, so hofft die Sport-Nation, möge bitte mit einem weiteren deutschen Tour-Sieg enden, mit einem Sieg von Jan Ullrich.

Doch der Erfolg beflügelt den Kurbeltreter nicht. Im Gegenteil: Er lähmt ihn. Ausgerechnet Schokoriegel üben auf den Mann aus der Asketenbranche eine magnetische Anziehungskraft aus. „Ulle“, wie ihn Freunde nennen, wird zum Moppel-Ich.

Die Puste ist weg, die Luft ist raus. 1999 stürzt Ullrich bei der Deutschland-Rundfahrt. Sein Tour-Start ist perdu. Und im Jahr 2000 bricht die Ära Armstrong an. Fortan wird Ullrich bestenfalls der ewige Zweite bleiben. Daran ändern auch olympisches Gold und Weltmeistertitel nichts.

Kunde bei Doping-Doktor Fuentes

Ullrich geriet in eine Krise. 2002 schrottet er in Freiburg seinen Porsche. 1,41 Promille, heißt es bei der Polizei. Bei einer anschließenden Reha fällt Ullrich mit Amphetaminen auf. Überhaupt gibt es immer wieder Doping-Gerüchte. Ullrich dementiert – auch 2006, als der spanische Doping-Arzt Eufemiano Fuentes auffliegt. Der Medizinmann verfügt über eine Kundenliste. Ullrichs Name gehört dazu.

Der Profi kann das erzwungene Ende seiner Karriere nicht verhindern. Im Februar 2007 steigt der Pedaleur aus dem Sattel. Ein jahrelanger Rechtsstreit folgt. 2012 wird der rotblonde Rostocker verurteilt. Sein Teilgeständnis erfolgt aber erst im Jahr darauf – im typischen Ullrich-Stil. „Betrug fängt für mich dann an, wenn ich mir einen Vorteil verschaffe. Dem war nicht so. Ich wollte für Chancengleichheit sorgen.“