Leipzig..

Wen gibt es öfter: Meier, Schneider oder Müller? Der Leipziger Prozessor Jürgen Udoph hat sich der Erforschung von Nachnamen verschrieben. Eine seiner Erkenntnisse: Wer Schröder heißt, war früher mal Schneider - oder Bierkutscher.

Woher hat Herr Bleifuß seinen Namen? Hatte sein Vorfahr etwa eine besondere Vorliebe für Geschwindigkeit? Waren die Ahnen der Familie Schmoll schnell beleidigt? Und welche Untaten haben die Sünderhaufs einst angesammelt? Nomen est Omen, sagt die lateinische Redensart, der Name ist ein Zeichen. Doch bei vielen der rund 850.000 deutschen Nachnamen fällt die Deutung zunächst schwer.

Professor Jürgen Udolph von der Uni Leipzig hat sich daran gemacht, unsere Namen wissenschaftlich zu enträtseln. „Zwischen dem elften und dreizehnten Jahrhundert begannen die Menschen in Europa, sich einen Nachnamen zuzulegen, weil zu dieser Zeit die Städte immer schneller wuchsen“, erklärt der 67-jährige Namensforscher. „Plötzlich gab es in einem Ort mehrere Menschen mit dem gleichen Vornamen, und es wurde notwendig, sie näher zu beschreiben. Wenn ein Fremder kam, dann suchte er fortan nach Friedrich dem Zimmermann, Friedrich dem Bauern oder Friedrich dem Koch.“

700 000 Deutsche heißen Müller

Berufsbezeichnungen stehen am häufigsten Pate für Nachnamen. Rund 700.000 Deutsche heißen Müller, 518.000 Schmidt, 313.000 Schneider, 267.000 Fischer, 234.000 Weber, 228.000 Meyer, je 216.000 Wagner und Becker. „Unsere Namen verraten uns viel über die Lebensumstände in der Vergangenheit. Sie spiegeln eine fast tausendjährige Geschichte wider“, sagt Udolph.

Nicht immer liegen die Dinge indes so einfach wie sie scheinen. Der Professor legt eine CD-Rom in den Computer, eine Telefondatei öffnet sich, Udolph tippt den Namen Schröder ins Adressfeld. Nach einigen Sekunden erscheint eine Landkarte auf dem Bildschirm. In Norddeutschland und im Süden konzentrieren sich blaue Punkte. „Je nachdem in welcher Region Deutschlands die Familie ihre Wurzeln hat, ändert sich die Bedeutung des Namens. Im norddeutschen Raum war Schröder ein Schneider, im Süddeutschen ein Bierkutscher“, erklärt der Professor. Hat die Familie Kroll Wurzeln im Osten, ist Kroll polnisch und bedeutet König; im Süden ist es ein altes Wort für Locke.

Scheel, Schiller und Schily schielten

Und dann sind da die „Übernamen“, die eine Eigenschaft des Trägers beschrieben. Scheel, Schiller oder Schily nannte man jemanden, der schielt. Füchtenhans war einer, der fücht, also feucht war, dem Alkohol zugeneigt. Der Krünägel hatte grüne Augen, Klum kommt von klamm – ein Mensch aus armen Verhältnissen.

Das Interesse wächst. Während in Udolphs Institut bis 2003 gerade mal 100 Anfragen zur Bedeutung der Familiennamen eintrudelten, sind es heute pro Jahr mehrere Tausend. Eine Abteilung mit jungen Wissenschaftlern verschickt gegen 80 Euro sechs- bis 15-seitige Abhandlungen über Ursprung, Bedeutung und Geschichte des Namens – ein beliebtes Geschenk.

Nachnamen als Friedhöfe der Worte

Auch wenn Udolph sich schon seit seinem Sprachwissenschaftsstudium in Göttingen vor 30 Jahren mit Namenskunde befasst, hat er lange nicht alle Bedeutungen in seiner stets fleißig gefütterten Datenbank. „In Folge des Zweiten Weltkriegs, der damit verbundenen Flucht und Vertreibung, haben wir ein Gewirr von Namen“, erklärt Udolph. „Wir Forscher müssen damit rechnen, dass ein Name aus fünfunddreißig Sprachen herzuleiten ist. Durch das Zusammenwachsen von Europa und die zunehmende Globalisierung potenziert sich das.“

Um besonders harte Fälle zu dechiffrieren, greift der Wissenschaftler auf Urkunden, alte Landkarten und Mundartwörterbücher zurück. „Nachnamen sind Friedhöfe der Worte“, sagt er. Viele Berufe, wie den des Kehrscherpers, der die Holzscheite zurecht schnitt, gibt es nicht mehr.

Und was ist mit Sünderhauf und Bleifuß? „Bleifuß geht zurück auf Blaufuß – einen Jagdfalken“, erklärt Udolph. „Sünderhauf ist ein Sinterhaufen, ein Berg Schlacke. Wahrscheinlich handelte es sich um einen Menschen, der neben einem solchen Schlackeberg wohnte.“