Essen.. Martina Gedeck liebt die Arbeit vor der Kamera – sei’s fürs Fernsehen („Halbe Hundert“), sei’s fürs Kino. Warum sie im Alltag gern improvisiert, wie sie Italien erlebt und wie die Zusammenarbeit mit Helen Mirren war, erzählt sie im Interview.

Sie gilt als schwierig. Interviews, heißt es, seien Martina Gedeck („Halbe Hundert“, ARD, Mittwoch, 28.03., 20.15 Uhr) ein Greuel. Mit der WAZ Mediengruppe hat sie trotzdem gesprochen.

Als Schauspielerin muss man viel improvisieren. Lieben Sie Improvisation auch im wirklichen Leben?

Martina Gedeck: Ja, da bin ich eigentlich ganz gut drin. Es ist wirklich oft Improvisationskunst angesagt, wenn du beispielsweise irgendwelche Flüge verpasst. Ja, ja, das mache ich gerne, ich gehe gerne neue Wege.

Naturtalent oder erarbeitet?

Gedeck: Das ist mir in die Wiege gelegt. Die Entdeckerlust zieht sich natürlich in meinen Beruf rein. Das hat mir immer Spaß gemacht, Spuren zu verfolgen, Dingen auf den Grund zu gehen, in der Natur oder auch, wenn ich aus Bauklötzen einen Turm zusammengebaut habe.

Als ich „Bella Martha“ gesehen habe, dachte ich, Sie seien Italienerin, die nur als Deutsche verkleidet ist.

Gedeck: (lacht) Nicht schlecht. Sie wissen, dass ich von meinem Filmpartner Sergio Castellitto eingeladen wurde, seine italienische Ehefrau zu geben, und dann habe ich mit ihm in Neapel den entsprechenden Gegenfilm zu „Bella Martha“ gedreht. Er war ein neapolitanischer Spieler, der das Geld seiner Familie auf den Kopf gehauen hat, und ich die Frau an seiner Seite. Ich habe übrigens zu diesem Zweck Italienisch gelernt. Zum Glück: Sonst hätte ich gar nichts verstanden.

Nun wurde Ihnen vor längerer Zeit eine ganz andere Rolle angetragen: nämlich bei der Wahl von Christian Wulff in der Bundesversammlung dabei zu sein…

Gedeck: Die Grünen haben mich eingeladen. Es war hochinteressant.

Wie fanden Sie die Inszenierung?

Gedeck: Ich habe vieles gesehen, was mir nicht bewusst war. Die Politik ist für mich ein völlig anderes Feld, und auch der Umgang der Menschen miteinander. Man merkt, dass man in einen Mikrokosmos eintritt, der den Eingeweihten hochvertraut ist. Man selber ist ein wenig orientungslos. Es war ein ständiges Koordinieren. Andererseits wurde sehr hitzig diskutiert, wenn man sich zwischen den Wahlgängen zurückzog. Es wurde Tacheles geredet. Die Leuten waren sehr leidenschaftlich, das war mir vorher nicht so bewusst. Es ging um Gewinnen oder Verlieren, und das hatte auch etwas Spielerisches.

Fortsetzung folgt?

Gedeck: Ich bin sehr engagiert in meinem Beruf, ich verstehe ihn durchaus als Berufung, und deshalb bleibt es wohl bei einer Stippvisite.

Kein Richtungswechsel, wie man ihn oft bei Menschen erlebt, die die halbe Hundert erreicht haben.

Gedeck: Meine Bahnen sind immer Überraschungsbahnen, es gibt immer Neuland. Ich bin im Moment in spannenden Projekten, ich mache den „Nachtzug nach Lissabon“, an der Seite von Jeremy Irons, ich arbeite mit großen, fordernden Regisseuren, mit internationalen Kollegen. Ich denke da an Helen Mirren („Hinter der Tür“; Red.).

Gibt es da Momente von Befangenheit?

Gedeck: Ja, die gibt es. Helen Mirren ist eine hervorragende Schauspieler-Persönlichkeit. Ich haben viele Szenen zusammengespielt, es war nicht leicht, nichts Oberflächliches, es war großes schauspielerisches Potenzial gefragt. Da steht man vor sich selbst auf dem Prüfstand, zumal sie mich als Partnerin gewünscht hat. Aber meine Nervosität hat sich ganz schnell gelegt, weil Helen Mirren eine glaublich freundliche Person ist, weil sie alle Unsicherheiten und Ängste, die man als Schauspielerin hat, kennt. Als ich mich das erste Mal versprochen habe, es war ein kleiner Schlagabtausch, hat sie mich beruhigt: Don’t worry, darling, it happens to me all the time. Das war natürlich übertrieben. Es passierte ihr nie. Sie war hinreißend.