Washington.. Die Sprengsätze von Boston sollten wohl nur der Auftakt zu einer Serie von Bombenanschlägen werden. Nach Angaben der US-Behörden waren die mutmaßlichen Attentäter mit weiteren Sprengsätzen bereits auf dem Weg nach New York. Doch dann kam ihnen die Polizei dazwischen.
Die beiden mutmaßlichen Bombenleger von Boston hatten offensichtlich auch einen Anschlag in New York geplant. Tamerlan und Dschochar Zarnajew hätten "weitere Sprengkörper auf dem Times Square" zünden wollen, sagte New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg am Donnerstag auf einer Pressekonferenz. Das habe der überlebende Tatverdächtige bei einer Befragung erklärt. Demnach seien der 19-Jährige und sein sieben Jahre älterer Bruder auf dem Weg dorthin von der Polizei gestoppt worden.
Die beiden hätten in der Nacht zum vergangenen Freitag ein Auto gekapert, um sich mit sechs selbst gebauten Bomben in die Millionenmetropole aufzumachen, sagte New Yorks Polizeichef Ray Kelly. "Der Plan scheiterte, als sie bemerkten, dass das entführte Auto zu wenig Benzin hatte." Als sie tankten, sei der Autobesitzer aus dem Wagen geflüchtet und habe die Polizei alarmiert. Dies habe die Großfahndung ausgelöst, in deren Verlauf Tamerlan Zarnajew getötet und sein Bruder später schwer verletzt verhaftet wurde.
Wie die "New York Times" und "Washington Post" am Donnerstag berichteten, soll nicht nur die US-Bundespolizei FBI Tamerlan Zarnajew bereits lange vor dem Anschlag im Visier gehabt haben, sondern auch die CIA. Demnach hatte der US-Geheimdienst nach einer Anfrage russischer Behörden bereits 2011 ein Auge auf Zarnajew geworfen. Russland hätte befürchtet, dass es sich bei Zarnajew um einen zunehmend radikalisierten Islamisten handle. Doch wie bereits das FBI sei auch die CIA zum Schluss gekommen, dass er keine Verbindungen zu terroristischen Gruppen habe.
Geheimdienste hatten vor Anschlag mindestens viermal Kontakt zu mutmaßlichem Bombenleger
Dennoch sei Zarnajews Name auf zwei US-Terrorlisten geraten, die dazu dienten, die Regierung bei Auslandsreisen zu alarmieren, hieß es. Wie sich mittlerweile zeige, hätten russische und amerikanische Geheimdienste mindestens viermal Kontakt wegen Zarnajew aufgenommen, bevor dieser für sechs Monate nach Russland gereist sei. Nach seiner Rückkehr in die USA sei aber nicht weiter ermittelt worden.
Als eine Art Vorsichtsmaßnahme hatte die CIA Tamerlan Zarnajew in die Datenbank TIDE einfügen lassen, aus der andere Terrorlisten der Regierung gespeist werden. Auch andere Behörden wie das FBI seien informiert worden. Demnach hat der Eintrag aber verschiedene Schreibweisen von Zarnajews Namen sowie unterschiedliche Geburtsdaten beinhaltet.
Das System schlug jedoch nicht Alarm, als Zarnajew im Januar 2012 nach Dagestan und Tschetschenien reiste. Grund war laut Zeitungsbericht die fehlerhafte Schreibweise seines Namens und die falschen Geburtsdaten, die von den Russen vorgegeben und dann von den Amerikanern entsprechend verwendet worden waren.
Das FBI hatte Zarnajews Namen auf eine zweite Terrorliste namens TECS gesetzt, die den Zoll automatisch über Ausreisen aus den USA informieren soll. Seine Flugreservierung habe bei der Ausreise einen Alarm ausgelöst, hieß es. Auf Bitten des FBI nach mehr Informationen über Zarnajew hätten russische Behörden nicht mit neuen Details reagiert. Wenig später aber hätten die Russen ihre Anfrage an die CIA übermittelt.
Bundesinnenminister Friedrich will nach Boston reisen
Russlands Präsident Wladimir Putin sprach sich für einen "Schulterschluss" mit den USA im Kampf gegen den Terrorismus aus. "Wenn wir unsere Kräfte vereinen, werden wir solche Anschläge nicht zulassen und keine derartigen Verluste mehr erleiden müssen", betonte er. Russland sei "eines der ersten Opfer des internationalen Terrorismus" gewesen.
Zwei Wochen nach den Anschlägen von Boston will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) nach einem Bericht der "Bild"-Zeitung (Freitag) am Sonntag in die USA reisen und sich dabei auch ein Bild vom Stand der Ermittlungen machen. Bei einem Gespräch mit der für Terrorabwehr zuständigen stellvertretenden Sicherheitsberaterin des Präsidenten, Lisa Monaco, solle es um die schleichende Gefahr durch den sogenannten "homegrown terrorism" - durch im eigenen Land radikalisierte Terroristen wie die mutmaßlichen Bombenleger von Boston - gehen.
Die Eltern der beiden Zarnajew-Brüder kündigten an, zur Unterstützung der Ermittlungen in die USA zu reisen. "Ich breche in die USA auf, um meinen jüngeren Sohn zu sehen und meinen älteren zu beerdigen", sagte Vater Ansor Zarnajew am Donnerstag der Agentur Interfax zufolge in Machatschkala, der Hauptstadt Dagestans. Die US-Bundespolizei FBI habe ein Treffen mit dem schwer verletzten Dschochar zugesagt. (dpa)