Köln/Düsseldorf. Trotz heftiger Proteste im Vorfeld hat der umstrittene Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki in Düsseldorf Jugendliche gefirmt.

Trotz anhaltender Kritik hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki am Mittwochabend 17 Jugendliche in einer Düsseldorfer Gemeinde gefirmt. Mit Rücksicht auf die Firmlinge gab es vor der Kirche keine neuen Protestaktionen.

Mehr als 140 Mitglieder der Gemeinde St. Margareta hatten in einem Offenen Brief an Woelki appelliert, von der Firmung abzusehen. In der Gemeinde sind zwei Pfarrer tätig gewesen, die des sexuellen Missbrauchs verdächtigt werden; einer von ihnen ist mittlerweile gestorben. In beiden Fällen wird Woelki vorgeworfen, zu lange seine schützende Hand über die Priester gehalten zu haben. Als Woelki im vergangenen Monat zu einem Vorgespräch in der Gemeinde erschienen war, hatten dort etwa 100 Gläubige mit Roten Karten gegen ihn demonstriert.

Firmlinge und Eltern sprachen sich für Woelki aus

Die Firmlinge selbst und ihre Eltern hätten sich aber dafür ausgesprochen, dass der Kardinal die Firmung zelebriere, sagte ein Sprecher des Erzbistums Köln. Ihrem Wunsch gemäß habe sich Woelki entschlossen, dies auch zu tun. Die Firmung fand in der Basilika St. Margareta im Stadtteil Gerresheim statt. Woelki gelangte durch einen Hintereingang in das Gotteshaus.

Die Unterzeichner des Offenen Briefs hatten sich gegen weitere Aktionen entschieden, weil sie den Firmlingen ihren Festtag nicht kaputt machen wollten. Sie teilten jedoch mit, dass sie nach wie vor nicht mit der Firmung durch Woelki einverstanden seien. Über das Gespräch mit ihm Ende Mai zeigten sie sich enttäuscht: „Unser Vertrauen in den Kardinal ist dadurch leider nicht gewachsen, sondern noch mehr verloren gegangen“, schrieben sie in einer Erklärung. „Wir hatten auf ein Zeichen des Verständnisses und der Übernahme von Verantwortung gehofft – vergeblich.“

Das Erzbistum Köln befindet sich seit Monaten in einer Krise. Derzeit wird die Lage von zwei Apostolischen Visitatoren - Bevollmächtigten des Papstes - untersucht. Sie führen seit Montag in Köln Gespräche, unter anderem auch mit Missbrauchsopfern und Kritikern von Woelki. Anschließend sollen sie einen vertraulichen Bericht für den Papst erstellen.

Mitglieder der Düsseldorfer Gemeinde St. Margareta zeigen dem Kölner Kardinal Woelki bei seinem Besuch Ende Mai die rote Karte.
Mitglieder der Düsseldorfer Gemeinde St. Margareta zeigen dem Kölner Kardinal Woelki bei seinem Besuch Ende Mai die rote Karte. © FUNKE Foto Services | STEFAN AREND

Apostolischen Visitatoren sollen Woelki überprüfen

Derweil sind zur Überprüfung des umstrittenen Kardinals am Montag die Apostolischen Visitatoren Anders Arborelius und Hans van den Hende in Köln eingetroffen. Der Stockholmer Kardinal und der Rotterdamer Bischof sollen als Gesandte des Papstes „eventuelle Fehler Seiner Eminenz Kardinal Woelkis“ untersuchen, wie die Apostolische Nuntiatur in Berlin mitgeteilt hatte.

Am Dienstag führten sie Gespräche mit Opfern sexuellen Missbrauchs. Die Betroffenen äußerten sich anschließend positiv über den Kontakt mit den beiden Gesandten.

Aus der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals hatte sich die derzeitige Krise des größten deutschen Bistums entwickelt. Untergebracht sind die Visitatoren während ihres Aufenthalts im Tagungszentrum des Erzbistums, dem Maternushaus. Es liegt direkt gegenüber dem Erzbischöflichen Haus von Woelki, das ringsherum von hohen Mauern, einem Gittertor und anderen Gebäuden umgeben ist.

Visitatoren bleiben wohl eine Woche in Köln

Gerechnet wird damit, dass die Visitatoren eine gute Woche in Köln bleiben werden, um dann einen vertraulichen Abschlussbericht für Papst Franziskus zu erstellen. Sie legen großen Wert darauf, dass sie unabhängig vom Erzbistum arbeiten. 

Noch am Sonntag hatte Woelki in einer Reaktion auf das Rücktrittsgesuch des Münchner Kardinals Reinhard Marx klargestellt, dass er weiter im Amt bleiben will. In einer Videobotschaft versicherte er, es mache ihn „persönlich fertig“ zu sehen, was Priester durch sexuellen Missbrauch angerichtet hätten. Deshalb betrachte er es als seine Aufgabe, die Aufklärung voranzutreiben.

In Stockholm und Rotterdam sind die Hierarchien flacher

Arborelius und van den Hende dürften von Papst Franziskus aus einer Reihe von Gründen für die schwierige Mission ausgewählt worden sein. Zum einen sprechen sie gut Deutsch. Zum anderen kommen sie beide aus Regionen, die ganz anders sind als die Katholikenhochburg Köln: In Schweden sind nur 1,1 Prozent der knapp zehn Millionen Einwohner katholisch, in Rotterdam gehen nur noch ein Prozent der Gläubigen sonntags zur Messe. Unter den wenigen praktizierenden Katholiken sind viele Migranten.  

Sowohl in Stockholm als auch in Rotterdam sind die Hierarchien flacher als im Erzbistum Köln. Arborelius (71) und van den Hende (57) gelten als bescheiden und zugänglich. Bei allen Gemeinsamkeiten ergänzen sich die beiden Visitatoren aber auch: Van den Hende ist Kirchenrechtler und kann deshalb die rechtliche Situation sehr gut einschätzen. Die Expertise von Arborelius liegt eher in der Seelsorge.

Zudem ist Arborelius als Mann des offenen Wortes bekannt: Als der Vatikan 2009 behauptete, nichts davon gewusst zu haben, dass der erzkonservative Geistliche Richard Williamson den Holocaust geleugnet habe, stellte Arborelius klar, dass er dessen Äußerungen schon 2008 nach Rom gemeldet hatte. Gleichwohl hatte der damalige Papst Benedikt XVI. die Exkommunikation Williamsons aufgehoben. 

Mit düsteren Inquisitoren im Stil des Mittelalter-Krimis „Der Name der Rose“ haben die beiden Visitatoren also wenig gemein - auch wenn Arborelius am Montag sogar eine Mönchskutte trug. Auch Kardinal Woelki beteuert, mit ihrem Besuch voll und ganz einverstanden zu sein und sogar darum gebeten zu haben. Der „Blick von außen“ sei jetzt wichtig, so Woelki. Aus Kirchenkreisen heißt es allerdings: „Er weiß, dass es eng wird.“