Berlin. Ein Vater soll seine Familie getötet haben. Der Mann war offenbar in Telegram-Gruppen unterwegs, in denen sich Querdenker austauschen.

Die Dimensionen des Falls werden immer größer. Ein Familienvater aus einer Kleinstadt bei Berlin soll seine drei Kinder, seine Frau und schließlich sich selbst erschossen haben – nun gibt es Hinweise, dass der 40-Jährige in die Querdenker-Szene verstrickt war.

Er sei "brennender Unterstützer derjenigen, die gerade für Frieden, Freiheit und Grundrechte" kämpften, schrieb der Mann in einer Chatgruppe beim Messengerdienst Telegram, in der sich Mitglieder aus dem lokalen Querdenker- und Impfskeptiker-Umfeld austauschen. Das zeigt eine Auswertung des Netz-Beobachtungszentrums Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Cemas), die mehreren Medien vorliegt. In einer Gruppe, in der Nutzerinnen und Nutzer über angebliche Impfschäden diskutieren, meldete sich der mutmaßliche Vierfachmörder Ende Juli zu Wort: Er habe eine Gürtelrose bekommen, nachdem er Kontakt mit einem geimpften Freund hatte.

In einem Telegram-Kanal habe er gelesen, gegen das Coronavirus Geimpfte könnten eine Gürtelrose entwickeln und auf Ungeimpfte übertragen. Dieser Annahme liegt die unter Impfgegnern weitverbreitete Falschbehauptung zugrunde, Geimpfte würden den vermeintlich gefährlichen Corona-Impfstoff beispielsweise durch Körperkontakt an Ungeimpfte weitergeben. Der 40-Jährige ließ deutliche Sympathien für Querdenker erkennen: "Ich bin bereit, mich mit allem, was ich aufzubieten habe, zu wehren."

Details zum möglichen Motiv

Derweil sind weitere Details zum möglichen Motiv ans Licht gekommen. Der rbb berichtete, dass der Brandenburger im größeren Stil Impfpässe gefälscht haben soll. Der Sender beruft sich auf Informationen aus Ermittlerkreisen. Diese Informationen werden offiziell jedoch nicht bestätigt. "Uns liegen dazu keine Erkenntnisse vor", sagte der Cottbuser Oberstaatsanwalt Gernot Bantleon auf Anfrage.

Laut einem Abschiedsbrief des tatverdächtigen Familienvaters hatte der Mann das Impfzertifikat seiner Frau fälschen lassen. Die 40-Jährige war in der Verwaltung der Technischen Hochschule im brandenburgischen Wildau tätig. Dort war ihr gefälschter Impfpass aufgefallen. Laut rbb soll ein Disziplinarverfahren oder sogar eine Entlassung durch die Hochschule im Raum gestanden haben. In dem Abschiedsbrief gab der Familienvater an, dass er Angst vor einer Verhaftung habe sowie davor, dass seinen Kindern eine "Umerziehung und Zwangsimpfung" drohe. "Die Vorstellungen des Mannes waren völlig verquer", so Bantleon.

Der 40-Jährige war weder polizeilich bekannt noch war die Familie beim Jugendamt aufgefallen. "Eine Haftstrafe bei einem Ersttäter, das ist völlig undenkbar. Ebenso die Wegnahme der Kinder." Es komme in dem Brief zum Ausdruck, dass der Mann vermutlich eher psychische Probleme gehabt haben müsse, da seine Vorstellungen mit den Tatsachen nichts mehr zu tun hätten, so Bantleon.

Anteilnahme in Königs Wusterhausen nach der Tragödie.
Anteilnahme in Königs Wusterhausen nach der Tragödie. © dpa | Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

Stadt gedenkt der Toten aus Königs Wusterhausen

Der Familienvater soll zuletzt am Donnerstag vor einer Woche gegen 21 Uhr in der Telegram-Gruppe online gewesen sein. Wie die Obduktion ergab, hatte die Familie seit der Nacht zu Freitag tot in ihrem Einfamilienhaus gelegen.

In der Kleinstadt Königs Wusterhausen sollte am Donnerstagabend eine Gedenkfeier stattfinden, um an die Familie zu erinnern. Die Fahnder beschäftigen sich nach wie vor mit den Hintergründen der Tat. Die schriftlichen Ergebnisse der Obduktion lägen erst in einigen Wochen vor, sagte Bantleon. "Die Ermittlungen gehen weiter."

Anmerkung der Redaktion: Aufgrund der hohen Nachahmerquote berichten wir in der Regel nicht über Suizide oder Suizidversuche, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Wenn Sie selbst unter Stimmungsschwankungen, Depressionen oder Selbstmordgedanken leiden oder Sie jemanden kennen, der daran leidet, können Sie sich bei der Telefonseelsorge helfen lassen. Sie erreichen sie telefonisch unter 0800/111-0-111 und 0800/111-0-222 oder im Internet auf www.telefonseelsorge.de. Die Beratung ist anonym und kostenfrei, Anrufe werden nicht auf der Telefonrechnung vermerkt.