An Rhein und Ruhr.. Der Tierpsychologe betont, dass sich die Hund-Herrchen-Bindung nur durch viel gemeinsame Zeit aufbaut. Im Zweifel solle man auf Hunde verzichten

Im Fernsehen gibt er nicht nur Promis Tipps für den richtigen Umgang mit widerspänstigen Vierbeinern. Tausende strömen in die Hallen, wenn er sein Wissen in humoristischen Live-Shows weitergibt. Martin Rütter spricht im NRZ-Interview über Unzufriedenheit von Hunden mit ihren Haltern und die Schwierigkeit eine Bindung aufzubauen.

Sollte man sich überhaupt ein Tier zulegen, wer häufig auf fremde Betreuung angewiesen ist?

Martin Rütter: Damit sich ein Hund an seinem Menschen orientiert, muss dieser viel Zeit mit ihm verbringen. Hunde, die ständig von wechselnden Personen betreut werden, entwickeln oft keine so intensive Bindung an ihren Besitzer. Dass gilt gerade dann, wenn der Hund den ganzen Tag von einer oder sogar von verschiedenen Personen betreut wird. Die Hauptaktionen des Tages erlebt er mit anderen Menschen. Mit dem eigentlichen Halter des Hundes findet als Aktivität dann oft lediglich eine kurze Abendrunde statt.

Das heißt, eine fremde Betreuung von Haustieren ist generell keine gute Lösung?

Rütter: Sicherlich kann eine Betreuung des Hundes tagsüber ab und an eine gute Lösung sein, damit man auf den Traum der Haltung eines eigenen Hundes nicht verzichten muss. Wer jedoch tagtäglich acht, zehn oder mehr Stunden unterwegs ist und den Hund für diese Zeit in eine Betreuung gibt, sollte auf den eigenen Hund lieber verzichten.

Welche Auswirkungen hat es für die Hund-Herrchen-Bindung, wenn ein Tier an jedem Werktag in eine Hundetagesstätte gegeben wird?

Rütter: Damit ein Hund eine gute Beziehung zu seinem Menschen aufbauen kann, müssen beide viel Zeit miteinander verbringen. Für gemeinsames Training und gemeinsame Beschäftigung, denn durch gemeinsame positiv empfundene Erlebnisse, wird die Bindung gefördert. Viele Hunde, die tagsüber in einer Hundetagesstätte sind, haben durch den Kontakt mit den anderen Hunden sowie durch das gemeinsame Spiel und die Aktivitäten, gar kein Interesse mehr am Spiel mit ihrem Halter.

Welche Probleme können entstehen, wenn ein Hund wenig Zeit mit dem Halter verbringt?

Rütter: Es muss auch Zeit für den gemeinsamen Alltag sein, denn nur so lernt der Hund die Regeln im Zusammenleben kennen. Er weiß, was erlaubt ist, an welche Regeln er sich halten muss, und lernt so, sich an seinem Menschen zu orientieren. Je weniger Zeit Mensch und Hund miteinander verbringen, desto weniger wird ein Hund sich an diesem Menschen orientieren. Hinzu kommt, dass in der Hundetagesstätte vielleicht andere Regeln gelten als zu Hause. Je mehr Menschen sich mit einem Hund beschäftigen, desto schwieriger wird es, sich über Regeln und Erziehungsformen abzustimmen. Dem Hund fällt es dann schwer, sich an die Regeln seiner Menschen zu Hause zu halten. Das führt schnell zu Frust und Unzufriedenheit beim Menschen wie beim Hund.

Welche Vorteile bietet eine große Gruppe für einen Hund?

Rütter: Hunde brauchen Kontakt zu anderen Hunden – sie müssen die Möglichkeit haben, mit Artgenossen zu kommunizieren. Denn selbst wenn wir Menschen uns bemühen, die Sprache des Hundes zu erlernen und so „hündisch“ wie möglich zu kommunizieren, sind und bleiben wir Menschen. Wer möchte seinem Hund schon genüsslich das Ohr auslecken und wer ist so wendig, dass er mit seinem Hund eine Verfolgungsjagd starten kann?

Und die Nachteile?

Rütter: Je größer eine Gruppe wird, desto schneller kann es zu Spannungen kommen. Auch bei Hunden gibt es Antipathie und Sympathie! In der Natur könnten die Hunde sich aus dem Weg gehen. Werden Hunde aber vom Menschen zu einer Gruppe zusammengestellt, erfolgt dies oft anhand von „praktischen“ Gründen. Jemand sucht eine Betreuung für seinen Hund und die Hundetagesstätte in der Nähe hat zufällig gerade einen Platz frei. Selten wird überprüft, wie die Struktur der bestehenden Gruppe ist, welchen Charakter der neue Hund hat und ob er überhaupt hineinpasst. Das Gelände ist hoffentlich zwar ausreichend groß, dennoch wird es immer ein umzäuntes Areal sein, so dass Ausweichen und Zurückziehen immer nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich ist.

Welche Folgen hat das für den einzelnen Hund?

Rütter: Der Aufenthalt in einer Hundegruppe kann für Hunde Stress bedeuten. Die Zusammenstellung einer Gruppe muss durch einen Menschen erfolgen, der Erfahrung in der Einschätzung und Betreuung von Hunden hat. Die Gruppe darf nie sich selbst überlassen werden. Zudem sollte die Zusammenstellung nicht ständig wechseln, denn nur so kann sich die Beziehung der Hunde untereinander einigermaßen aufbauen.