Münster.. Dass die Haut nach einem harmlosen Mückenstich juckt, ist normal. Viele Menschen leiden jedoch unter Hautveränderungen und ständigem Juckreiz, so dass sie sich bis aufs Blut kratzen könnten. Ärzte erklären die Ursachen und geben Tipps für Betroffene.
Auffallende Hautveränderungen und vor allem ein quälender Juckreiz, auch Pruritus genannt, sind Alarmzeichen, sagt Professorin Sonja Ständer. Sie befasst sich in der Pruritus-Ambulanz der Hautklinik des Universitätsklinikums Münster mit dem chronischen, schmerzhaften Jucken. Gemeinsam mit Professor Thomas A. Luger, Direktor der Münsteraner Hautklinik, erläutert sie mögliche Ursachen und stellt Therapien vor.
Weshalb bezeichnet man die Haut auch als „Spiegel der Seele“?
„Krankheiten, die das Körperinnere betreffen, zeigen sich oft auch äußerlich“, erklärt Professor Thomas A. Luger, Mitbegründer des Kompetenzzentrums Chronischer Pruritus (KCP, Chronischer Juckreiz) an der Uniklinik Münster. „Deutlich wird das bei der Gelbsucht. Patienten mit Herz-Kreislauf- oder Tumor-Erkrankungen haben häufig eine fahle, fast graue Haut.“
Kann Stress bewirken, dass man buchstäblich „aus der Haut fahren“ möchte?
„Stress ist niemals die alleinige Ursache für Symptome wie zum Beispiel starkes Jucken. Er kann aber den Verlauf von Hauterkrankungen wie Neurodermitis beeinflussen“, sagt Luger. So werden in anstrengenden Situationen oft vermehrt Neurotransmitter freigesetzt.
Das sind Botenstoffe, die Nervenreize übertragen, und in größerer Anzahl Einfluss auf Entzündungen nehmen, etwa in der Haut. Diese Entzündungen können sich verschlimmern, weil daraufhin verstärkt weiße Blutkörperchen aus den Gefäßen austreten.
Wie kommt es, dass die Haut juckt?
Die Antwort auf diese Frage kann bei jedem Patienten anders lauten – so viele Ursachen für einen Juckreiz gibt es. Ganz abgesehen von dem normalen Impuls, den man nach einem Mückenstich verspürt, und mit dem man den Parasiten von der Haut entfernt. „Überall in der Haut befinden sich Nervenfasern, die Schmerz weiterleiten.
Und andere, die nur für Juckempfindungen zuständig sind“, erklärt Sonja Ständer. „Interessanterweise wurde vor Kurzem gezeigt, dass eine bestimmte Untergruppe beides – Jucken und Schmerzen – so eine Art Mischempfinden verursachen kann.“
Auf welche Weise lassen sich die Gründe hierfür feststellen?
Sie müssen durch eine genaue Diagnostik abgeklärt werden. „Es ist möglich, dass Juckreiz durch Leber- oder Nierenerkrankungen entsteht, aber ebenso durch Leukämie oder psychische Erkrankungen“, sagt Professorin Ständer. „Zudem kennen wir den umschriebenen Juckreiz, der dort entsteht, wo leichter Druck auf Nervenfasern – etwa bei einer Bandscheiben-Verlagerung – ausgeübt wird.
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Das kann auch im Genitalbereich geschehen“, erläutert Hautklinik-Direktor Luger. All diese Ursachen müssen bei einer eingehenden Untersuchung ausgeschlossen werden.
Wer ist besonders oft betroffen?
Laut der Experten hat über die Hälfte der Patienten, die an dauerhaftem Juckreiz leiden, eine genetische Veranlagung für Neurodermitis. Diese führt dazu, dass die Schutzbarriere der Haut gestört ist. In der Folge können allergieauslösende oder irritierende Substanzen leicht in die obere Schicht eindringen. „Wenn die Empfindung beginnt, quälend zu werden, sollte man zum Arzt gehen“, rät Luger. „Sonst kann sich der Juckreiz verselbstständigen, bis nur noch Psychopharmaka helfen.“
Was unternehmen medizinische Experten dagegen?
Wie Detektive müssen Ärzte herausfinden, wo sie mit ihrer Therapie ansetzen sollten: „Dafür verteilen wir Fragebögen und möchten etwa wissen, ob Patienten nach Schwitzen Jucken empfinden. Oder ob dieses im Zusammenhang mit Wasser entsteht“, sagt Ständer. Je nach Antwort können daraus Rückschlüsse auf eine Erkrankung gezogen werden, die möglicherweise zugrunde liegt.
Wird der Juckreiz durch Wasser verursacht, so kann dies etwa auf eine trockene Haut, aber auch auf eine Bluterkrankung hindeuten. Um andere Krankheiten festzustellen, die zugrunde liegen können, nutzen die Spezialisten auch bildgebende Verfahren wie Ultraschall, Röntgen oder die Magnetresonanztomographie (MRT).
Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
„Wenn wir der Ursache auf die Spur gekommen sind, behandeln wir diese mit Medikamenten wie etwa Antihistaminika gegen allergische Reaktionen“, führt Sonja Ständer aus. „Parallel dazu untersuchen wir den Zustand der Haut. Denn diese ist oft so trocken, dass allein dadurch Probleme verursacht werden.“ Eine regelmäßige Pflege mithilfe von rückfettenden, kortisonhaltigen oder entzündungshemmenden Cremes kann Patienten Entspannung bringen – ebenso nützlich sind kühlende Umschläge.
„Auch haben wir inzwischen die Möglichkeit, einen Rezeptor zu blockieren, an den ein wichtiger Juckreiz-Auslöser im Körper anbindet“, erklärt Professor Thomas Luger ein Verfahren, das an der Hautklinik Münster entwickelt wurde. Er und seine Kollegen arbeiten mit der psychosomatischen Abteilung der Uni-Klinik zusammen, um auch jenen Menschen helfen zu können, deren Juckreiz psychische Hintergründe oder Folgen hat.
Tipps und und Infos
Wer unter chronischem Juckreiz (Pruritus) leidet, kann sich in Deutschland an fünf Juckreiz-Ambulanzen wenden, um Rat und Hilfe zu bekommen. Seit 2002 gibt es in Nordrhein-Westfalen ein fachübergreifendes Zentrum – das Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus Münster unter Leitung von Prof. Sonja Ständer.
Weitere Infos: www.juckreiz-informationen.de. Die Adresse des Juckreiz-Zentrums lautet: Universitätsklinikum Münster, Kompetenzzentrum Chronischer Pruritus (KCP), Klinik für Hautkrankheiten, Von-Esmarch-Str. 58, 48149 Münster. Anmeldung zur Juckreiz-Sprechstunde: Mo-Fr 8-12 Uhr, 0251-83 57 470.