Essen. Späte Väter liegen im Trend: Die Zahl der Vaterschaften bei über 50-Jährigen nimmt zu, auch wenn viele von ihnen manchmal für die Großväter ihrer Kinder gehalten werden. Wenn Männer mit neuer Partnerin alles auf Anfang setzen.
Sie sind über 50, manche gar über 60 Jahre alt und starten noch einmal durch: Späte Väter liegen im Trend. Was bei Prominenten wie Franz Beckenbauer, Fritz Wepper oder Ulrich Wickert für Schlagzeilen sorgt, ist längst keine Ausnahme mehr, sondern ein Phänomen des demografischen Wandels. Weil die Menschen immer älter werden, lieben sie auch länger, wagen sie spät noch eine neue Beziehung. Start-over-Dads nennt man diese Väter, die alles auf Anfang stellen.
Einen überzeugten Vater wie ihn trifft man nicht jeden Tag. Für Cäcilie, sein Wunschkind, sagte er im Job Wochenend-Termine ab, für sie gab er sein urbanes Leben auf, das er Jahrzehnte genossen hat. Ulrich Foerster zog aufs Land, in eine nicht unbedingt attraktive, aber um so kinderfreundlichere Kleinstadt. Cäcilie, inzwischen vier, sei das „große Glück, das mir spät im Leben widerfahren ist“, sagt Foerster. Zwei Wochen vor seinem 60. Geburtstag kam seine Tochter zur Welt.
Für Ulrich Foerster ist es das erste Kind. Und doch eint ihn viel mit all den späten Vätern, die aus früherer Beziehung bereits erwachsene Kinder haben. Foerster will es besonders gut machen, nimmt sich Zeit, bedenkt all das, was er für und wegen der Familie tut. Ganz wie Fußball-Grande Beckenbauer, den ein Sohn aus erster Ehe schon zum Opa gemacht hatte, als er selbst noch mal nachlegte. Auch Beckenbauer betont gern in Interviews, dass er seine Kinder aus dritter Ehe, Joel und Francesca, mehr genießen könne, weil er als junger Libero eher in der weiten Welt als im Kinderzimmer zu Hause war.
35.000 werdende Väter waren 2010 älter als 50
70.000 der werdenden Väter in Deutschland im Jahr 2000 waren älter als 40, so Angaben des Statistischen Bundesamtes. 2010 waren es fast 117.000, 35.000 davon über 50. „Unsere Lebensphasen verschieben sich, die Altersunterschiede zwischen Mann und Frau werden flexibler“, sagt Martin Verlinden vom Sozialpädagogischen Institut in Köln. Noch profitierten vor allem die Männer, die sich häufig mit deutlich jüngeren Frauen verbandelten.
Doch Verlinden ist davon überzeugt, dass Frauen zunehmend ihre Vorteile darin suchen werden. Karriereorientierte Frauen könnten sich etwa für den jüngeren Mann interessieren, der beruflich noch nicht so eingebunden ist und mehr Zeit für Kinder hat. Oder aber einen älteren Mann wählen, der seine Karriere bereits abgeschlossen hat und gern für die jüngere Frau, für den Kinderwunsch kürzertritt.
So wie Ulrich Foerster. Der war in einem Hamburger Verlag durchaus erfolgreich, bevor er den vorgezogenen Ruhestand antrat. In erster Ehe hatte er bewusst auf Kinder verzichtet. „Wir haben 1973 geheiratet, da war die Emanzipationsdiskussion auf dem Höhepunkt. Wir wollten Gleichberechtigung leben“, sagt der 64-Jährige. Mit Ehefrau Nummer zwei wurde alles anders. Sie war Anfang 30, er knapp 50, als sie sich kennenlernten. Als seine Frau sich dem 40. Geburtstag näherte, war das Thema längst virulent. Sie diskutierten viel, zogen Ärzte zu Rate und beschlossen: „Wir haben den Mut!“
Die „alten Säcke“und die Vorurteile
Ähnlich spielte es sich auch bei dem Wittener Robert Dürr* ab, der aus erster Ehe zwei erwachsene Kinder hat. Als er seine spätere Frau kennenlernte, waren Kinder kein Thema. Jahrelang führten die beiden eine Fernbeziehung, und erst als sie zusammenzogen, „wurde mir klar, wie stark ihr Kinderwunsch war. Ich wusste: Wenn wir heiraten, kann ich ihr ein Baby nicht versagen“, sagt der 51-Jährige.
Vor kurzem wurde Robert Dürr noch einmal Vater einer Tochter. Ganz entspannt. Hätte man ihm das vor Jahren vorausgesagt, hätte er wohl mit „Oh Gott, nicht noch mal dieses Drama!“, reagiert. Denn obschon er mit Anfang 30 Vater zweier Wunschkinder wurde, fühlte er sich damals wie „in seinem Leben festsitzend, mit Baby auf dem Arm“. Heute genießt er, wohl wissend, wie die Zeit rast.
Dass er für den Großvater der eigenen Tochter gehalten werden kann, weiß er. Er hat es bereits erlebt. So wie Ulrich Foerster, der in diesem Fall rät: „Gelassen bleiben! Ich habe mal den Fehler gemacht, eine Kollegin zu belehren, die mich auf Fotos meiner ,Enkelin’ ansprach. Das war für sie sehr peinlich.“ Überhaupt, all diese Vorurteile, die gegen „Geronto-Väter“ ins Feld geführt werden, verärgern Foerster sehr.
Da sei viel zu oft „von den alten Säcken“ die Rede, die es sich noch einmal beweisen wollten. Von defekten Spermien und Missbildungen. Von Egoismus gegenüber den Kindern, die früh zu Waisen würden. Davon, dass selbst der Intelligenzquotient von Kindern alter Väter niedriger ausfalle, dass sie ein höheres Risiko hätten, früher zur Welt zu kommen. Einzelstudien. Wirklich belegt sei da nichts, halten Männerheilkundler dagegen.
Auch das Bundesgesundheitsministerium betont in einer Untersuchung eher die Vorteile später Elternschaft für das Kind. Die emotionale Stabilität und die größere Lebenserfahrung der Väter. Foerster jedenfalls weiß, welche Peinlichkeit er Töchterchen Cäcilie ersparen wird: Als dann über Siebzigjähriger vor der Disco auf sie zu warten.
* Name geändert