Rechenberg-Bienenmühle. Videos aus Sachsen zeigen einen Mob, der Flüchtlinge in einem Bus bedrängt. Jetzt wird auch der Polizeieinsatz in Clausnitz geprüft.
Es sind verstörende Bilder, die ein Video von der Ankunft von Asylbewerbern im Ortsteil Clausnitz der sächsischen Gemeinde Rechenberg-Bienenmühle zeigt. Während man hinter den Scheiben eines Busses Frauen und Kinder erkennt, grölen draußen etwa 100 Ausländerfeinde. Im Bus haben die Menschen angsterfüllte Gesichter, ein Junge ist offenbar den Tränen nahe.
Die Gruppe nutzt den Schlachtruf der friedlichen Revolution gegen die SED-Diktatur: „Wir sind das Volk“. Doch friedlich kommt den Asylbewerbern, die am Donnerstag dort ihre Unterkunft beziehen sollten, nichts vor. Die Flüchtlinge sind wie gefangen in dem Bus.
In einer Antwort auf einer Nutzerfrage bei Facebook schrieb die Pressestelle der Landespolizei Sachsen: „Wir haben verhindern können, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen oder Verletzten kommt, wenngleich wir psychische Folgen eines solchen Ereignisses schwer verhindern können“.
Jan Böhmermann und Sascha Lobo äußern sich zum Video
Erst gegen 21 Uhr konnte der Bus zur Unterkunft vorfahren, um 22 Uhr bezogen die Asylbewerber ihre Zimmer. Insgesamt waren knapp 30 Beamte im Einsatz, darunter auch Beamte aus Zwickau und Mitarbeiter der Bundespolizei.
Das Originalvideo war von der Facebookgruppe „Döbeln wehrt sich – Meine Stimme gegen Überfremdung“ gepostet worden. Sowohl das Video wie auch die Gruppe sind mittlerweile nicht mehr auf Facebook zu finden. Unter anderem der Moderator Jan Böhmermann wie auch YouTube-Nutzer haben das Video jedoch erneut auf unterschiedlichen Videoplattformen hochgeladen. Der Blogger Sascha Lobo kommentierte das Video in einem Facebook-Beitrag mit deutlichen Worten.
Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) verurteilte die Proteste scharf. Ulbig betonte, es sei „zutiefst beschämend“, wie mit den Menschen umgegangen worden sei. „Anstatt wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich in die Situation der Flüchtlinge zu versetzen, blockieren einige Leute mit plumpen Parolen den Weg von schutzsuchenden Männern, Frauen und Kindern“, sagte der Minister.
Der Bürgermeister von Rechenberg-Bienenmühle, Michael Funke (parteilos), sagte der „Freien Presse“, er schäme sich für das Geschehene. Zugleich nahm er aber die Demonstranten in Schutz. Der Großteil der Menge sei „nicht auf Krawall gebürstet“ gewesen. Auch habe der Protest sich nicht gegen die Flüchtlinge gerichtet: „Es ging um die große Politik und nicht um die Menschen an sich.“
Polizei-Einsatz am Flüchtlingsbus in der Kritik
Ein weiteres Video, das seit Freitag im Netz kursiert, zeigt nicht weniger verstörende Szenen. Menschen skandieren mit sächsischem Dialekt vor einem Gebäude, offenbar die Asylunterkunft. „Verpisst euch doch. Ihr brauch doch nicht rumheulen hier!“, ruft ein Mann. Ein Polizist nähert sich dem Flüchtlings-Bus, der vor dem Haus gehalten hat. „Rausholen jetzt!“, fordern Männer. Der Beamte steigt in den Bus und zerrt ein verängstigtes Flüchtlingskind im Klammergriff aus dem Bus. Begleitet wird die Szene von lautem „Ja“-Rufen und Gegröle der Menge.
Auf Facebook reagiert die Polizei Sachsen
Auf einen Beitrag eines Facebook-Nutzers antwortete die Polizei Sachsen. Der Nutzer schrieb an die Polizei: „Wieso wird billigend hingenommen, dass dieser Mob Flüchtlinge anbrüllt, in Todesangst versetzt und Frauen und Kinder zum weinen bringt.“ In der Antwort erklärt sich die Polizei: „Wir als Polizei müssen die Neutralität in unseren Einsätzen wahren. Das fällt uns in dieser Situation wirklich schwer. Wir sind alle Menschen in den blauen Uniformen, die genau wie Du empfinden beim Schauen des Videos.“ Die Ankunft sei von einer großen Personengruppe blockiert worden. „Wir haben verhindern können, dass es zu körperlichen Auseinandersetzungen oder Verletzten kommt, wenn gleich wir psychische Folgen eines solchen Ereignisses schwer verhindern können.“
Die Flüchtlingsunterkunft im Ortsteil Clausnitz ist am 2. Februar bezugsfertig geworden. Im Vorfeld der Eröffnung hatte es schon einmal Aktionen gegen die Einrichtungen gegeben. Laut „Freier Presse“ hatte es Transparente gegeben, die sich gegen den Zuzug von Asylbewerbern richteten. Die Transparente standen auf Privatgrundstücken und wurden nach kurzer Zeit wieder entfernt. (mit les/dpa)