Essen. In Chips kann Schweinebouillon stecken, in Limo Läuseextrakt - wer vegan leben will, muss beim Einkaufen viel beachten. Aber das Angebot wird größer.
Der frühere US-Präsident Bill Clinton hat es gemacht. Einst verspeiste er mit Vergnügen Steaks und Burger, plötzlich streikte sein Herz, er stellte seine Ernährung um. Dann, das war schon 2010, wurde er Veganer. Wie der Ex-Boxer Mike Tyson. Auch die US-Tennisspielerinnen Serena und Venus Williams verzichten auf Tierisches. Eine Sache allein unter Promis ist das aber nicht.
Plötzlich sagen die Kollegin, der Freund, der Nachbar, die zum Grillen eingeladen sind: „Ich sage es dir lieber vorher, Wurst esse ich nicht.“ Aber wer hat schon einen veganen Supermarkt wie „Veganz“ in Essen um die Ecke? Worauf muss achten, wer für vegane Gäste oder für sich selbst im Supermarkt einkauft?
„Vegan“ nicht gesetzlich definiert
Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat erst vor kurzem erklärt, dass in vielen Waren Tierisches steckt: Läuse-Extrakt in „Orangina Rouge“-Limonade und „Bum Bum“-Eis von Schöller, Schweinegelatine in „Albi“-Säften zum Klären von Trübstoffen, Schweinebouillon in „Paprika-Kartoffel-Rings“ vom Aldi-Süd. Spuren vom Tier sind also selbst in jenen Produkten, in denen sie Verbraucher nicht erwarten. Um sicher zu gehen, bleibt ihnen nur eins: auf ein Label mit grünem V in gelbem Kreis achten, plus Schriftzug „Vegan“ darunter. Das Etikett wird hierzulande vom Vegetarierbund Deutschland vergeben. „Darauf ist Verlass“, sagt Oliver Huizinga von Foodwatch. Schrieben Hersteller einfach so „vegan“ auf die Verpackung, heiße das „erstmal nichts.“
Das Problem: Der Begriff „vegan“ ist nicht per Gesetz definiert. Freilich gibt das Zutatenverzeichnis Auskunft darüber, was in dem Lebensmittel drin ist. Aber wer liest das schon so genau? Und ob technische Hilfsstoffe, Aromen oder Farbstoffe tierischen Ursprungs sind, steht da auch nicht.
Erst vor wenigen Tagen hat nun aber der Discounter Aldi-Süd, der in NRW auch Filialen hat, angekündigt, versteckte tierische Zutaten bei Knabbergebäck spätestens in sechs Monaten zu labeln. Der Markt ist in Bewegung, Hersteller und Handel folgen einem gesellschaftlichen Trend.
So ließ sich Christian Rauffus, Herr über die Rügener Mühle und damit mächtiger Fabrikant deftiger Würste, unlängst mit dem Satz zitiere: „Die Wurst ist die Zigarette der Zukunft“ – und damit bald ebenso verpönt. Er setzt auf vegetarische Wurst und Fleischersatz. Die Konkurrenz macht das auch, nach Brancheninformationen investiert seit neustem selbst der größte Schlachtkonzern, Clemens Tönnies, ins pflanzliche Fleisch. Die Nachfrage steigt.
Kein Lebensstil für die Massen
900 000 Deutsche ernähren sich laut dem Vegetarierbund Deutschland vegan. Vegan leben heißt aber nicht nur, Fleisch und Fisch, Butter und Ei, Milch und Honig wegzulassen. Daunendecken, Lederjacken oder Shampoos, die an Tieren getestet wurden, sind auch tabu. Für die Masse ist dieser Lebensstil derzeit nichts. Im Schnitt isst jeder Bürger noch rund 60 Kilo Fleisch und Wurst pro Jahr – fast doppelt so viel, wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt. Mehr als 300 bis 600 Gramm Fleisch und Wurst pro Woche sollten es nicht sein. Aber: Fast jeder zehnte Haushalt gibt in Umfragen an, gelegentlich auf Fleisch zu verzichten. Das macht sich in der Einkaufswelt bemerkbar.
2011 wurden in Deutschland, so weiß der Vegetarierbund, zwölf vegane Koch- und Backbücher veröffentlicht. Im letzten Jahr waren es schon knapp 80. Der Handelskonzern Edeka testet – nicht in Nordrhein-Westfalen, aber immerhin in 65 Märkten – eine „Vegithek“. Im Angebot: Crispy-Tofu, Satay-Schnitzel, Gourmet-Veggie-Burger aber auch Auberginensalat, Tamruc-Falafeln und Hummus. Vegane Versandhäuser gibt es auch.
Schließlich entwerfen Designer extra Küchen für Veganer, aber auch Vegetarier: Die „Vooking“ bietet zum Beispiel mehr große Brettflächen zum Schnippeln von Gemüse und einen Schrank mit vier Klimazonen und Wachstums-LED-Leuchten zum Ziehen von Kräutern und Gewürzen. Ein Münsteraner Reiseveranstalter ist auf vegane Flusskreuzfahrten spezialisiert. Und an allen Orten der Welt lassen sich vegetarische und vegane Restaurants finden – etwa mit der „Happy cow“-App.
Glückliche Kühe? Seit in den Medien immer wieder hässliche Bilder von Tierställen gezeigt werden, backen mehr Bürger ohne Butter und Ei oder grillen weniger Fleisch. Im Kuchen lässt sich ein Ei nach Angaben des Vegetarierbundes zum Beispiel durch eine halbe zerdrückte Banane ersetzen. Und wer vegan grillen will, muss nicht nur Tofuwürstchen essen. Es gibt zuhauf Rezepte für gefüllte Champignons oder Veggie-Burger, für die sich die Zutaten in jedem Supermarkt einfach kaufen lassen. Bill Clinton isst mittlerweile übrigens wieder Fisch.