Rom. Wegen ungewöhnlich großer Hitze kippt die empfindliche Lagune von Orbetello in der Toskana um. Der Klimawandel verändert auch das Mittelmeer.

Dass etwas nicht stimmte in der Lagune von Orbetello, das wurde den Wächtern in einer Nacht vor einer Woche klar. Da kamen ungewöhnlich viele Fische an die Oberfläche. Bauchoben allerdings oder noch in Zuckungen des Todeskampfs, nach Luft schnappend, eine stundenlange Qual. Eine Nacht später war die Wasseroberfläche schier unübersehbar weit bedeckt mit silbrig glänzenden Fischleibern. Mehr als 200 Tonnen haben die Einsatzkräfte im zunehmenden Verwesungsgestank mittlerweile geborgen, mehr als 3000 Tonnen könnten es werden, befürchtet der Präsident der Fischereigenossenschaft Orbetello, Pier Luigi Piro. Noch schlimmer aber: die toskanische Lagune, ein weit über Italien hinaus bedeutendes Zentrum der Fischzucht, dürfte nach Meinung der Meeresbiologen über Jahre hinaus tot sein – mit Millionenschäden für einige Hundert Familien, die davon bisher lebten.

Der Grund für das Fischsterben war schnell gefunden. Im Brackwasser der 27 Quadratkilometer weiten, aber nur 1,5 Meter tiefen Lagune stieg die Temperatur auf 35 Grad; mangelnder Wasseraustausch in einem beinahe geschlossenen System und das Wachstum von Algen ließen den Sauerstoffgehalt gegen Null sinken; da half auch kein Nachpumpen. Zuletzt legte sich ein feuchter, heißer Südwind über das Bassin, dann war’s mit dem Luftaustausch zu Ende.

"Sehr seltene Anomalie"

„Eine sehr seltene Anomalie für das Mittelmeer”, sagt der Präsident des Euro-Mediterranen Instituts für Klimaforschung (CMCC), Antonio Navarra. Dem Klimawandel als solchem sei das Fischsterben „in einer vom Meer fast abgeschotteten Lokalität wie Orbetello“ nicht zuzuschreiben; klar sei aber auch, dass es eine „stetige Zunahme von Ereignissen“ gebe, die den Klimawandel bestätigten und zu weiteren Befürchtungen Anlass gäben. Neueste Studien des CMCC sowie der diese Woche vorgelegte Jahresbericht des italienischen „Umweltbundesamtes“ ISPRA zeigen, dass Luft- und Wassertemperatur im Mittelmeerraum unaufhaltsam steigen; im Rekordjahr 2012 war das Wasser um 0,97 Grad wärmer als in den Vergleichsjahrzehnten 1961 bis ‘90.

Allerdings: Während sich das vom Menschen so geschätzte Mittelmeerklima nach Mittel- und Osteuropa ausdehnt, vertrocknet Italiens Süden: Die Regenfälle gehen jetzt schon stark zurück; die Versorgung mit Trinkwasser stellt ein immer größeres Problem dar – beispielsweise auf Sizilien, wo die Leitungen bereits jetzt drei, vier Tage pro Woche leer bleiben. Und: Weil Flüsse weniger Wasser zuführen, steigt der Salzgehalt im Mittelmeer.

Schlecht für Fische, gut für den Wein

„Das ist ein komplexes Phänomen“, sagt Navarra: „Es hat auch andere Ursachen, dass weniger Süßwasser ins Meer kommt. Die Landwirtschaft hält vieles für Bewässerungszwecke zurück.” Natürlich steige mit der Lufttemperatur auch die Verdunstung, damit der Feuchtigkeitsgehalt der Luft – und dieser entlade sich immer stärker in „extremen“ Wetterereignissen, unter denen Venedig und der Norden Italiens zu leiden hätten.

Währenddessen leiden die mediterranen Fische auch noch auf andere Weise. Laut ISPRA beutet der Mensch von heute 95 Prozent der Fischbestände um Italien herum stärker aus als rechtlich und biologisch zulässig.

Mit der Überfischung könnte auch die stetige, für Badetouristen schmerzhafte Zunahme von Quallen zu tun haben. Denn je weniger junge Fische sich von Plankton ernährten, umso mehr bleibe für die ätzenden „Medusen“ übrig, sagte der Meeresbiologe Ferdinando Boero in einem Interview.

Insgesamt, rät Forscher Navarra, sollte man den Klimawandel nicht zu negativ sehen: „Es gibt Verlierer, aber auch Gewinner.“ Die aktuellen Hitzewellen, wie sie der Lagune von Orbetello den Garaus gemacht haben, „die haben anderswo in Italien einen ganz anderen Effekt: Der Wein dieses Jahr wird spitze.“