Düsseldorf/Essen. Die Nieren sind die am besten durchbluteten Organe im menschlichen Körper. Als Filterstation für das Blut entziehen sie Flüssigkeit, Giftstoffe und Salze. Außerdem regulieren sie verschiedene Stoffwechselfunktionen. Wenn sie nicht mehr richtig arbeiten, droht die künstliche Blutwäsche, die Dialyse.

„1500 Liter Blut fließen pro Tag durch die Nieren – das bedeutet, unser gesamtes Blut durchquert sie 300 Mal täglich“, sagt Professor Wolfgang Grotz, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin am Essener Alfried Krupp Krankenhaus. Und sein Kollege Gerd R. Hetzel, Nierenfacharzt am Medizinischen Versorgungszentrum Davita Düsseldorf und Professor an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, ergänzt: „Die Organe galten im Altertum als Sitz der Seele. Deshalb sagen wir noch heute, dass uns etwas an die Nieren geht.“ Die Experten erläutern, warum diese unauffälligen Organe eine zentrale Rolle im Körper spielen.

Die Nieren sind unauffällige Organe – warum sollte man ihnen besondere Aufmerksamkeit schenken?

„Die Natur hat es so eingerichtet, dass wir die wasserlöslichen Stoffe, die unser Körper nicht benötigt, über die Nieren wieder von uns geben“, erläutert Professor Gerd R. Hetzel. Diese Stoffe durchqueren die rund 1,5 Millionen kleinen Filter in der Niere ähnlich wie Kaffee eine Filtertüte. Auf diese Weise entstehen jeden Tag rund 150 Liter so genannter Primärharn. „Daraus entnehmen die Nieren Nützliches, also etwa Kochsalz oder Zucker – und reduzieren den Primärharn um den Faktor 100 auf etwa 1,5 Liter Urin“, sagt Professor Wolfgang Grotz.

Zu den vielfältigen Aufgaben der Organe gehört aber nicht nur die Entgiftung und Urinproduktion: „Sie regulieren verschiedene Stoffwechselfunktionen und sorgen etwa dafür, dass der Kalk in den Knochen landet, nicht in den Gefäßen“, erklärt Professor Hetzel.

Was schadet ihnen?

Es gibt viele Erkrankungen, die Auswirkungen auf die Nieren haben. Dazu zählen Bluthochdruck, Rheuma und vor allem Diabetes. „Weil sie die Nieren angreifen können, sollten vor allem chronisch Kranke daran denken, diese Organe regelmäßig beim Arzt überprüfen zu lassen“, sagt Experte Gerd R. Hetzel.

Wie kann man sie schützen?

„Am besten nicht rauchen und auch nicht zu viele Pfunde auf den Rippen mit sich herumtragen“, meint Internist Wolfgang Grotz. Und sein Kollege Gerd R. Hetzel empfiehlt, den Blutdruck auf einem Normalmaß zu halten, damit die empfindlichen Poren der kleinen Filter nicht durch erhöhten Druck reißen und dann vernarben. Denn: „Nierengewebe regeneriert sich nicht.“

Woran erkennt man, dass die Nieren krank sind?

Wir spüren es nicht, wenn die Nieren nach und nach nicht mehr funktionieren, denn dieser Prozess verläuft schmerzlos – das ist das Tückische. Deshalb muss der Hausarzt mithilfe von Laboruntersuchungen überprüfen, ob die Nieren ihre Aufgaben erfüllen.

Wenn er Probleme feststellt, kann er zum Facharzt, dem Nephrologen, überweisen. „Je früher dies geschieht, umso besser ist es. So können wir verhindern, dass sich die Nierenfunktion weiter verschlechtert“, erklärt Hetzel.

Welche Erkrankungen sind besonders häufig und welche Folgen haben sie?

„In unseren Praxen sehen wir Nierenfachärzte vor allem zwei Gruppen von Patienten: Die eher Jüngeren, die an Autoimmunkrankheiten leiden – bei diesen Erkrankungen wendet sich das körpereigene Abwehrsystem gegen die Strukturen der Niere, die Filtereinheiten entzünden sich“, sagt Professor Gerd R. Hetzel. „Die andere Gruppe ist diejenige der Älteren. Ihnen sind Erkrankungen wie Diabetes oder Bluthochdruck auf die Nieren geschlagen, weil diese empfindlich sind.“ Nephrologen erkennen anhand der Symptome, woran die Nieren leiden: „Ergänzend dazu können wir die Urin-Eiweiße im Labor auftrennen oder ein Organ punktieren und Gewebe entnehmen. Unter dem Mikroskop lässt sich weitere Klarheit gewinnen“, sagt Professor Wolfgang Grotz. Wenn die Nieren nicht mehr richtig arbeiten, droht als letzte Konsequenz die künstliche Blutwäsche, auch Dialyse genannt.

Wie sieht die Behandlung aus?

Je nach Befund kennen Fachleute die unterschiedlichsten Therapieschritte. Professor Grotz: „Es müssen beispielsweise andere Strategien zur Schmerzvermeidung eingeschlagen werden, wenn Schmerzmittel sich ungünstig auf die Nieren auswirken.“ Gegen die Autoimmunerkrankungen, die vor allem Jüngere betreffen, gibt es laut Professor Gerd R. Hetzel wirksame Medikamente, welche etwa die fehlgesteuerte Immunreaktion des Körpers unterdrücken.

Bei den älteren Patienten gehe es im Gegensatz dazu meist darum, die chronischen Erkrankungen so in den Griff zu bekommen, dass im Körper möglichst natürliche Verhältnisse herrschen: „Wir haben in diesen Fällen keine Pille für die Nieren, sondern müssen den Menschen zeigen, wie sie ihren Blutdruck und den Diabetes so einstellen, dass die Organe möglichst nicht weiter geschädigt werden“, so Hetzel. Dieses Ziel erreichen Ärzte oft in Schulungen.

Wie kommt es, dass manche Menschen auch nur mit einer Niere leben können?

„Die Nieren sind so wichtig, dass wir eine große Reserve mitbekommen haben – nämlich zwei davon“, sagt Gerd R. Hetzel und ergänzt: „Diese Organe können sich nicht wie die Leber regenerieren.“ Andererseits sei es so, dass man sogar mit einer Nierenfunktion von zehn bis 20 Prozent noch gut leben könne. Vor diesem Hintergrund ist es möglich, dass gesunde Menschen eine ihrer Nieren einem Erkrankten spenden und ihn damit von der künstlichen Blutwäsche befreien können. „Das ist eine kleine Operation – und dank Immunsuppressiva können wir dafür sorgen, dass der Körper des Empfängers das Organ nicht abstößt. Für die Betroffenen beginnt auf diese Weise ein neues Leben“, erklärt Wolfgang Grotz.