Das Great Barrier Reef vor Australien ist durch Meereserwärmung und Umweltverschmutzung stark gefährdet. Wissenschaftler haben frieren nun Samen und Zellen von Flora und Fauna des Riffs ein, das zum Weltnaturerbe zählt: Australische Forscher bauen damit die größte “Korallen-Bank“ der Welt auf.
Dubbo ist weit weg von allem, vor allem vom Great Barrier Reef. Trotzdem liegt
in diesem kleinen Ort im trockenen Binnenland des australischen Kontinents die
Zukunft des Korallenriffs, das zum Weltnaturerbe zählt. Oder besser: in einem
Tank mit flüssigem Stickstoff. Dort werden Samen und Embryozellen der Korallen
des Great Barrier Reef auf minus 196 Grad eingefroren und konserviert. In den
vergangenen zwei Jahren haben australische Forscher damit die größte
"Korallen-Bank" der Welt aufgebaut. Wann und wo immer nötig können sie nun
Korallenkolonien reproduzieren.
Fünf vor zwölf für das Great Barrier Reef
Und nötig wird es werden. Wie ernst die Situation des Great Barrier
Reefs schon jetzt ist, kam im Oktober 2012 ans Licht, als Forscher die
Ergebnisse einer Studie im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of
Sciences" veröffentlichten. Demnach hat das Riff in den vergangenen 27 Jahren
über 50 Prozent seiner Korallen verloren. Seit 2006 reduzierte sich die
Korallendecke pro Jahr um 1,45 Prozent, und das Wachstum der Korallen kann den
Verlust nicht mehr wettmachen. Denn durch das Wasser, das immer wärmer und
saurer wird, wachsen die Korallen deutlich langsamer als zuvor.
Zusätzlich dazu belasten lokale Faktoren wie Stürme, Abwässer,
Krankheiten und Öllecks von vorbeifahrenden Schiffen die Korallen. Ihr
schlimmster Feind ist der Dornenkronen-Seestern, der sich wie andernorts eine
Heuschreckenplage auf den Korallen ausbreitet und alles zerfrisst, was ihm in
den Weg kommt. "Wenn die Menschheit nichts für das Great Barrier Reef tut, wird
es dieses Weltnaturerbe in wenigen Jahrzehnten nicht mehr geben. Wir werden das
Riff ganz einfach verlieren", sagt Rebecca Spindler, die das
Riff-Rettungsprogramm am Taronga Western Plains Zoo in Dubbo leitet.
Größte "Korallen-Bank" der Welt
In den vergangenen zwei Jahren haben die Wissenschaftler des Zoos mit
dem Australischen Institut für Meereskunde (AIMS) und mit der
US-Wissenschaftlerin Mary Hagedorn vom Smithsonian Institut in Hawaii
kooperiert. Hagedorn entwickelte die Gefriertechnologie. Die Forscher entfernen
dabei kurzzeitig Korallen vom Riff und nehmen sie mit ins Labor, um sie dort
laichen zu lassen. In der Natur findet das nur einmal im Frühjahr nach einem
Vollmond statt - ein atemberaubendes Ereignis, das Taucher mit einem Schneesturm
im Meer vergleichen und das selbst vom Weltall aus gesehen werden kann.
Im Labor in Townsville an der Nordostküste Australiens sammeln die
Forscher nach dem Laichen Samen und Eier, befruchten die Eier und frieren Samen
und Embryozellen ein. Danach wird die eisige Ware knapp 1500 Kilometer von
Townsville bis nach Dubbo transportiert, wo sich Experten und Spezialausstattung
befinden. Inzwischen haben die Forscher mehrere hundert Milliarden Zellen
konserviert.
"Wir könnten mit unserem Material eine Milliarde Korallen-Kolonien
kreieren. Aber wir haben noch keine große genetische Diversifikation erreicht",
sagt Rebecca Spindler. Momentan befinden sich fünf Korallenspezies in der
"Korallen-Bank" – drei Ast- und zwei Hirnkorallen. "Wir versuchen so viel wie
möglich aufzubewahren, denn wir wissen, dass wir nie wieder soviel genetische
Vielfalt haben werden wie im Moment", erläutert die Wissenschaftlerin.
Politik muss handeln
Die australische Regierung nimmt die düsteren Prognosen für das Riff
Ernst und hat Anfang Februar zugesagt, unter anderem den Schiffsverkehr in der
ökologisch sensiblen Region weiter einzuschränken. Doch Rebecca Spindler und ihr
Team wollen sich nicht auf die Versprechen der Politik verlassen und arbeiten
fieberhaft weiter daran, so viele verschiedene Korallenarten wie möglich
einzufrieren, um sie notfalls wieder in der Natur anzusiedeln. "Noch zwei bis
drei weitere Jahre und wir sind einsatzbereit. Es ist ein wenig wie bei einer
Notsituation, die man nicht kommen sehen will, die aber bereits unausweichlich
ist", sagt die Forscherin. (dapd)