Essen.. Die Natur ist kein Streichelzoo, warnen Forst- und Wildexperten. Selbst Kühe werden unter bestimmten Bedingungen aggressiv und zum Risiko für Wanderer.

Von ihrem Wanderurlaub auf dem Rothaarsteig wird diese Neusserin sicher noch oft erzählen: Die 47-Jährige war im Mai von einer Wisentkuh angegriffen worden. Mit zerrissener Kleidung, Schrammen und einem großen Schrecken kam die Frau davon. Auch andere der hiesigen Wildtiere können gefährlich werden. Experten geben Tipps, wie sich unangenehme Begegnungen entschärfen oder verhindern lassen:

Wisent - im Notfall mit den Armen fuchteln

Bis zu einer Tonne kann ein Wisent-Bulle wiegen, weibliche Tiere bis zu 500 Kilo. Ihnen zu begegnen, ruft Respekt hervor. Wer am Rothaarsteig unterwegs ist, hat gute Chancen, Wisenten in freier Wildbahn zu begegnen, weil sie dort in einem einzigartigen Projekt in NRW ausgewildert sind. Das Projekt steht allerdings auf der Kippe, auch wegen des Vorfalls im Mai.

Wisente sind tagaktiv und die Tiere des Projektes haben keine Scheu vor Menschen - weil sie in ihrer Nähe aufgewachsen sind. Gerade im Mai und Juni sollte man vorsichtig sein, weil Wisente nun Junge haben. "Wisentkühe setzen sich dann ab, sie wollen ihre Ruhe", erklärt Dieter Altrogge, Leiter vom Forstamt Hilchenbach. Wer Wisenten begegnet, sollte sich langsam herumdrehen und den Weg erstmal zurückgehen; Hunde sollte man an die Leine nehmen. Verfolgt einen das Wisent, rät Altrogge dazu, Lärm zu machen: "In die Hände klatschen, mit dem Armen fuchteln und das Tier anschreien".  Damit müsse sich ein Wisent verscheuchen lassen. Was man vermeiden sollte: "Auf das Tier zugehen", auch der direkte Blick in die Augen kann als Angriff verstanden werden. Doch Altrogge gesteht auch ein: "Wir haben keine Erfahrung, was dann passieren kann..."

Wildschweine "blasen an" vor einem Angriff

Wildschweine sind in Wald und Flur bei uns keine Seltenheit. "Wenn einem eine Wildschweinrotte entgegen kommt, sollte man sich ruhig und besonnen zurückziehen", rät Andreas Schneider vom Landesjagdverband NRW. Ab der abendlichen Dämmerung sind die Tiere aktiv - und sie können im Frühjahr umso aggressiver sein, wenn die weiblichen Tiere (Bachen) ihre Frischlinge verteidigen. Bevor sie angreifen, "blasen sie meist an", sagt Dieter Altrogge vom Forstamt Hilchenbach und erklärt: "Sie pusten kräftig durch die Nase". Sind keine Jungtiere zu verteidigen, würden sich Wildschweine eher trollen. Greifen sie an, gilt die Wisent-Taktik: Anbrüllen und dabei in die Hände klatschen. Dieter Altrogge: "Wildschweine sind Lärmempfindlich".

Kühe auf der Weide können gefährlich werden

"Kühe verteidigen vehement ihren Nachwuchs". Das sollte man wissen, wenn man sich ihnen nähert - beim Wandern zum Beispiel im Alpenraum. "Insbesondere Hunde können Kühe beunruhigen", mahnen Experten. Der Österreichische Alpenverein empfiehlt, Wanderwege nicht zu verlassen und Distanz zu Kühen und Herden auf Almen zu halten. "Neben den Herden keine hektischen Bewegungen machen oder lärmen, nicht wild mit Armen oder Stöcken gestikulieren." Auch sollte man Warnsignale der Tiere beachten - "ein Senken des Kopfes sowie Scharren oder Brüllen": Der Rat: "In einem solchen Fall Ruhe bewahren und langsam die Weide verlassen, ohne den Tieren den Rücken zuzukehren."

Schafe - um Herden immer einen Bogen machen!

Schafe selbst sind kaum gefährlich, sie rennen meist vom Menschen weg. Doch das sollte man nicht provozieren, weil das mindestens Ärger mit dem Schäfer bringt. Rastende Herden werden vom Schäfer meist mit einem mobilen Zaun geschützt - "den sollte man nicht übersteigen", sagt Thomas Suster, Hundetrainer in Oberhausen. Denn dann bekommt man es wahrscheinlich mit den Hunden des Schäfers zu tun - und das wird unangenehm, weil...:

Hunde - erfüllen ihren Auftrag

Der Wanderweg am Bauernhof - und plötzlich taucht der Hofhund auf: "Anhalten und umdrehen", empfielt der Oberhausener Hundetrainer Thomas Suster Wanderern. Läuft einem der Hund nach, sollte man nicht anfangen zu rennen - das regt nur seinen Jagdtrieb an. Im Zweifel stehenbleiben und nach dem Besitzer rufen. Gleiches gilt gegenüber Hütehunden, wie sie bei Schafherden eingesetzt werden: "Ihr Job ist es, die Herde zu schützen", sagt Thomas Suster. "Diesen Auftrag ziehen sie durch" - solange, bis ihr Besitzer auftaucht. Dann lassen solche Hunde meist sofort von einem ab. Suster weist auf ein beeindruckendes YouTube-Video hin, bei dem sich ein Mountainbiker plötzlich von einer Meute bellender Hütehunde umzingelt sah. Die Tiere ließen erst von dem Mann ab, als 'Herrchen' kam - "dann aber sofort".

Wölfe - junge Wölfe sind neugierig

Der Wolf kehrt zurück - auch nach NRW. Wölfe wurden bereits im Kreis Lippe beobachtet, im Münsterland, im Westerwald, in der Eifel und jüngst auch am Niederrhein. Bis dato waren es Einzeltiere. Einen in freier Natur zu entdecken ist jedoch sehr selten; "Ich würde stehen bleiben und den Anblick genießen", sagt Thomas Pusch vom Landesfachausschuss Wolf des Naturschutzbund Nabu in NRW. "Wölfe sind vorsichtig und meiden den Menschen". Allerdings könnten einjährige Jungwölfe aus Neugier versuchen, bei Begegnungen mit Menschen die Distanz zu verringern - weil ihnen die Erfahrung fehlt. Pusch empfielt, das nicht zuzulassen - "mit lauten Gesten Richtung Wolf". Anschreien sollte helfen, dass der Wolf sich verzieht.

Schwäne machen ungern Platz

Schwäne haben etwas Majestätisches - und sie haben nicht unbedingt Respekt vor Menschen. Ob als Paddler oder beim Spaziergang - "Höckerschwäne machen nicht gerne Platz", sagt Jochen Bellebaum, Experte vom Nabu. Kommt man ihnen zu nahe, "fauchen sie heftig und drohen mit den Flügeln". Die setzen sie nicht nur im Revierkampf ein, um sich mit Artgenossen zu boxen. Bellebaum rät: nähert sich ein Schwan, sollte man sich langsam zurückziehen. Das dürfte reichen, eine nähere Begegnung zu verhindern.

Möwen können Alfred Hitchcock alle Ehre machen

Hin und wieder hört man, dass Raubvögel aus der Luft Attacken etwa gegen Jogger fliegen. Vogelforscher Jochen Bellebaum hält das für sehr außergewöhnlich, aber nicht gänzlich unmöglich. Ganz sicher jedoch könne das zum Beispiel am Meer passieren, wenn man beim Strandspaziergang in eine Möwenkolonie läuft. "Da geht man nicht rein", warnt Bellebaum - auch, weil der Zutritt meist verboten ist und solche Bereiche etwa an der Nordsee als Schutzgebiet ausgewiesen sind. Auch Seeschwalben an einem Baggerloch verteidigten ihr Territorium - und greifen Störenfriede an. Aus der Luft und mit scharfen Schnäbeln. Bellebaum warnt: "Das kann weh tun".