Washington.. Lauter Rap nervte einen 47-jährigen Amerikaner an einer Tankstelle im US-Staat Florida. Der Streit endete mit dem Tod eines Schwarzen. Jetzt steht Michael Dunn vor Gericht. Er hofft darauf, dass die laxen Waffengesetze im sogenannten Sonnenstaat zu seinen Gunsten ausgelegt werden.
„Dieser Knast ist voll von Schwarzen, und alle verhalten sich wie Verbrecher. Es mag ein bisschen radikal klingen, aber wenn sich mehr Leute bewaffnen und diese verdammten Idioten erschießen würden, wenn sie dich bedrohen, vielleicht würden sie den Rat beherzigen und ihr Verhalten ändern.“ Diese Sätze wird man in den nächsten zwei Wochen noch des Öfteren hören im Bezirksgericht von Duval County in Jacksonville, US-Staat Florida. Sie stammen vom Angeklagten Michael Dunn. Er hat sie in der Untersuchungshaft geschrieben. Der 47-jährige Weiße muss sich seit gestern vor Richter Russell Healey wegen Mordes und dreifachen versuchten Mordes verantworten. Im Falle einer Verurteilung droht ihm Lebenslänglich.
Die laxen Waffengesetze
Er hatte im November 2012 an einer Tankstelle den 17-jährigen Schwarzen Jordan Davis erschossen. Weil er sich bedroht fühlte von Worten und einem Gegenstand, der ausgesehen haben soll wie eine Waffe, beteuert Dunn. Weil er ein Rassist sei und es nach einem Allerweltsstreit darauf angelegt habe, sagen die verbitterten Eltern des Opfers.
Nach einem ähnlich gelagerten Fall, in dem der weiße Nachbarschaftsschützer George Zimmerman den ebenfalls 17-jährigen Trayvon Martin, auch ein Afro-Amerikaner, im Februar 2012 bei Orlando erschoss und am Ende freigesprochen wurde, richten erneut alle großen Fernsehstationen ihre Kameras auf den Bundesstaat im Südosten der USA. Und auf die dort freizügigen Gesetze für den Schusswaffen-Gebrauch.
Dunn behauptet, er habe aus Notwehr abgedrückt. „Ich bin kein Mörder, ich bin ein Überlebender“, sagte er in den Vernehmungen. Er nimmt für sich das „Stand Your Ground“-Gesetz in Anspruch – übersetzt etwa: Weiche nicht zurück. Es besagt, dass im von Republikanern regierten und der Waffen-Lobby National Rifle Association besonders gepflegten Florida auch außerhalb der eigenen vier Wände jeder legitim zur Schusswaffe greifen darf, wenn er sich bedroht fühlt. Eine Verpflichtung zur Deeskalation in einem Streit gibt es nicht. Und bei allem sind subjektive Eindrücke des Schützen ausschlaggebend, nicht die Tatsachen.
Streit eskalierte in Sekunden
Die bislang bekannten Tatsachen im vorliegenden Fall sehen nach Angaben von Augenzeugen, der damaligen Freundin Dunns, die gegen ihn aussagen will, und der Staatsanwaltschaft unvorteilhaft für den Ange- klagten aus: Jordan Davis und drei seiner Freunde sind an jenem 26. November vor gut einem Jahr auf dem Southside Boulevard von Jacksonville in einem roten Dodge Durango unterwegs. An einer Tankstelle halten sie und hören dabei Chief Keef, einen bekannten Rapper aus Illinois. Mit voller Lautstärke. Michael Dunn parkt sein Auto daneben. Seine Freundin will eine Flasche Wein kaufen. Dunn mag keinen Rap. Schon gar nicht laut. Er fordert die jungen Schwarzen auf, den basslastigen Sprechgesang leiser zu stellen. Zurück kommt wortreiche Ablehnung und Gelächter.
Soweit ein Konflikt, wie er täglich Hunderte Male vorkommen kann. Aber hier eskaliert der Streit in Sekunden. „Du bist tot“, soll Davis gerufen haben, behauptet einzig und allein Dunn. Dann soll im Auto der Jungmänner eine „Waffe geschwenkt“ worden sein. Augenzeugen haben das nach Angaben eines TV-Senders bestritten.
Binnen Sekunden lädt der korpulente Mann, ein Waffen-Liebhaber, seine im Handschuhfach gelagerte 9-Millimeter-Pistole und schießt. Mindestens achtmal. Drei der jungen Schwarzen bleiben unverletzt. Jordan Davis verblutet auf dem Rücksitz. Dunn und seine damalige Freundin Rhonda Rouer fliehen. Sie werden einen Tag später festgenommen. Im Auto der jungen Schwarzen findet die Polizei viel Blut. Aber keine Waffe.
Generalstaatsanwältin Andrea Corey, die im Fall Trayvon Martin landesweit den Zorn der schwarzen Community auf sich gezogen hatte, will über 100 Zeugen vorladen. Dunns Anwalt Cory Strolla fürchtet, dass die Veröffentlichung von Briefen und Telefongesprächen Dunns aus dem Gefängnis die zwölf Geschworenen, die während des Prozesses kaserniert ohne Internet und Medien in einem Hotel leben müssen, beeinflussen könnte. Rechtsexperten teilen die Einschätzung. Die am Anfang zitierten Sätze, die unter schwarzen Bürgerrechts-Organisationen Empörung ausgelöst haben, sind kein Ausreißer. Michael Dunn steht zu Prozessbeginn nicht nur unter Totschlags-, sondern auch unter akutem Rassismusverdacht.