Essen. Es ist rosa, es glitzert und Ferrero will, dass Mädchen es wollen: Mit einer Überraschungs-Ei-Edition speziell für Mädchen hofft das Unternehmen auf neue Kundinnen. Feministinnen sind entsetzt über das veraltete Rollenklischee. Pädagogen nehmen es gelassener und raten Eltern zum Test.
Mädchen lassen sich heutzutage nicht mehr nur in eine Schublade stecken. Das ist eine "Erkenntnis der Marktforschung", des Unternehmens Ferrero. Der Hersteller der bekannten Überraschungs-Eier hat anhand dieser Forschungsergebnisse eine Marktlücke ausgemacht: Überraschungs-Eier für Mädchen. Und weil Mädchen, wie wir dank Ferreros Marktforschung wissen, sich nicht in eine Schublade stecken lassen, ist das "brandneue Mädchen-Ei" rosa, mit Blümchen verziert und enthält Blumen-Ringe oder bunte Armbänder mit Tiermotiven.
Für kritische Geister, die denken, dass dass doch irgendwie nach Schublade klingt, sei hinzugefügt, dass Ferrero nicht nur Ringe und Armbänder in die Mädchen-Eier steckt, sondern nach eigenen Angaben auch "aktivierende Spielzeuge zum Werfen, Spielen und Malen, Puzzeln und Basteln". Dinge halt, die "Mädchen mädchengerecht ansprechen und deren Individualität fördern", wie Ferrero glaubt.
Pädagogin rät Eltern, das Mädchen-Ei zu testen
Pädagogen sind sich nicht so sicher. Melitta Walter, Erzieherin und Autorin mehrerer Bücher über geschlechtergerechte Erziehung, musste lachen, als sie erstmals von dem "Mädchen-Ei" hörte. "Die Unternehmen müssen ständig nach Marktlücken suchen. Deshalb bleiben sie regelmäßig an diesem langweiligen, rosa Mädchen-Bild hängen bleiben", sagt sie. Das damit propagierte Mädchen-Bild hänge weit hinter der Realität zurück.
Wenn Mädchen sich tatsächlich für das "Mädchen-Ei" begeistern könnten, dann hänge das vor allem mit ihrem Umfeld zusammen. "Auf der Suche nach ihrer weiblichen Identität schauen Mädchen auf das Verhalten älterer Mädchen. Wenn diese ein rosa Überraschungs-Ei haben, wollen die Jüngeren das auch."
Walter rät Eltern deshalb dazu, den Ball flach zu halten. Wenn ihre Kinder, egal ob Jungs oder Mädchen, das rosa Ei haben wollten, dann sollten Mütter oder Väter einfach mal eines kaufen und mit den Kindern zusammen schauen, was drin ist. Dann würden Kinder schnell selbst erkennen, ob das etwas für sie ist oder nicht. "Am besten macht man gar nicht groß zum Thema, ob das ein Mädchen-Ei ist oder nicht. Es ist halt rosa - und das ist doch eine schöne Farbe."
Auch Lego und Playmobil versuchen, Mädchen mit der Rosa-Masche zu ködern
Deutlich wütender kommentiert das Frauen-Magazin Emma das "Mädchen-Ei". Unter der Überschrift "Ei kotz gleich", fordert Emma einen Warnhinweis auf derartigen Produkten: "Rosa macht Mädchen dümmer." Mädchen würden zu Prinzessinnen gemacht, die nur noch Konsum im Kopf hätten.
Ferrero ist nicht das erste und nicht das einzige Unternehmen, das mit einer Mädchen-Kollektion Erfolg sucht. Zuletzt hatte Lego mit der umstrittenen "Friends"-Linie für Aufregung und Pädagogen und Feministen gesorgt: Ponys, Püppchen, Schmuck und natürlich alles in Rosa, Pink oder Lila. Auch Playmobil hat eine Produkt-Reihe für Mädchen herausgebracht.
Die Schokolade im Mädchen-Ei ist die gleiche wie im klassischen Überaschungs-Ei
Langfristige Chancen rechnet Melitta Walter den Mädchen-Kollektionen nicht aus: "Wenn Ferrero wirklich glaubt, dass sie mit dem 'Mädchen-Ei' gefunden haben, was Mädchen suchen, dann kann ich nur sagen: schlecht recherchiert." Die heutige Welt von Mädchen sei nicht rosa und glitzernd, sondern bunt. Wer die Mädchen-Welt als Rosa darstelle, der reduziere Mädchen auf ein veraltetes Klischee.
Die Schokolade im "Mädchen-Ei" ist laut Ferrero übrigens nach der gleichen Rezeptur hergestellt wie die des klassischen Überraschungs-Eis. Vielleicht hat die Marktforschung ergeben, dass der Mädchengeschmack hier dem der Jungs gleicht. Oder Ferrero hatte das Rezept noch in der Schublade.