Köln.. Fast 120 Jahre galt der Wolf in Deutschland als ausgerottet – bis sich 1995 ein Rüde auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in der sächsischen Muskauer Heide ansiedelte, 1998 kam eine Wölfin hinzu. Heute lebt dort ein ganzes Rudel. Und auch anderswo in Deutschland ist der Wolf wieder heimisch.

Mehr als 1000 Kilometer hat er bereits zurückgelegt, doch als der Wolf den Westerwald erreicht, setzt ein tödlicher Schuss am Abend des 20. April seiner langen Wanderung ein plötzliches Ende: Ein 71 Jahre alter Jäger aus Bad Honnef im Rhein-Sieg-Kreis legt an und schießt. Er habe den Wolf für einen wildernden Schäferhund gehalten, sagt er später der Polizei.

Und weil der Mann, Mitglied des Hegerings Siebengebirge, Widerspruch gegen einen Strafantrag der Koblenzer Staatsanwaltschaft eingelegt hat, muss er sich in ein paar Wochen vor dem Amtsgericht in Montabaur für den Todesschuss verantworten.

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Noch vor der Gerichtsverhandlung fordern nicht nur die Jäger und Naturschützer im Rhein-Sieg-Kreis ein strenges Vorgehen gegen ihn. Der Vorstand des Hegerings gibt sich indes abwartend: „Wir wollen keinem juristischen Urteil vorgreifen“, sagt Rolf Werning, der Vorsitzende. Erst nach dem Prozess werde über die weitere Mitgliedschaft des Mannes entschieden.

Längst ist jedoch eine Diskussion entbrannt, wie Tiere, die als nahezu ausgestorben gelten, aber heute in ihre früheren Lebensräume zurückkehren, besser geschützt werden können – gemeint sind vor allem Wölfe, Wildkatzen, Luchse und Fischotter.

16 Rudel leben in Deutschland

Fast 120 Jahre galt der Wolf als ausgerottet, bis sich 1995 ein Rüde auf einem ehemaligen Truppenübungsplatz in der sächsischen Muskauer Heide ansiedelte, 1998 kam eine Wölfin hinzu. Heute lebt dort ein ganzes Rudel. Eingewandert sind beide aus Polen, während der im Westerwald erschossene Wolf aus Italien stammt, Tierfreunde tauften ihn „Pierre-Luigi“. Nach Angaben von Vanessa Ludwig, Projektleiterin der „Wolfsregion Lausitz“ im Landkreis Görlitz, sind in Deutschland derzeit 16 Wolfsrudel nachgewiesen.

Zudem gebe es bundesweit ein weiteres Wolfspaar und sechs einzelne Tiere. Zuletzt wurden in der Lüneburger Heide drei Jungwölfe gesichtet, auch hat sich erst im vergangenen Juli ein junger Rüde im Kreis Segeberg in Schleswig-Holstein niedergelassen. Von einer günstigen Situation könne man aber noch nicht sprechen: „Das wäre erst bei 1000 erwachsenen und fortpflanzungsfähigen Tieren der Fall“, erklärt die Expertin. „Auf Grund der großen Anpassungsfähigkeit wird sich der Wolf aber weiter ausbreiten.“

Jede Region Deutschlands „wolfstauglich“

Wölfe sind tatsächlich echte Wander-Meister, 70 Kilometer kann ein solches Tier am Tag zurücklegen. Und Studien zeigen, dass das Revier eines Rudels eine Größe zwischen 49 und 375 Quadratkilometer haben kann. So ist etwa der Fall eines Amerikanischen Wolfes bekannt, der mehr als 5000 Kilometer lief, bevor er sich niederließ. „Damit kommt jede Wolfspopulation innerhalb von Europa für künftige Zuwanderungen infrage“, erklärt Markus Bathen, Wolf-Experte beim Naturschutzbund Deutschland, aus welchen Regionen weitere Zuwanderer auf vier Pfoten zu erwarten sind. Seit fünf Jahren leitet der Kölner das in Spremberg in der Lausitz beheimatete „Projektbüro Wolf“. Und bis auf die Stadt-Bundesländer Hamburg, Bremen und Berlin sei jede Region Deutschlands „wolfstauglich“.

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Obwohl der Wolf schon lange in Sachsen lebt, so ist sein Vorkommen dort noch immer nicht selbstverständlich: „Das wird sicher noch eine ganze Zeit brauchen“, ahnt Wolfgang Riether, Geschäftsführer des Landesverbandes Sachsen im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland. „Und konfliktfrei wird diese Beziehung nie sein. Dazu sitzen die Jahrhunderte alten Ängste der Menschen zu tief.“ Auch fürchtet Riether, dass die Jäger auf solches Wild ebenfalls Ansprüche erheben könnten.

Jäger müssen Wolf erkennen können

Aber sind Jäger heute überhaupt in der Lage, einen Wolf zu erkennen und in Sekundenschnelle von einem Hund zu unterscheiden? Torsten Reinwald, Sprecher des Deutschen Jagdschutzverbandes (DJV) in Berlin: „Natürlich, ja.“ Grundlage des Jagdscheins sei auch eine fundierte Artenkenntnis, betont Reinwald. „Weitere wichtige Fächer sind Naturschutzrecht, Waffenhandhabung oder Jagdrecht. Jäger sind Naturschützer mit staatlicher Prüfung.“

Das Verhalten des Jägers aus Bad Honnef sei scharf zu verurteilen. Gleichwohl will auch der DJV erst bei einer Verurteilung ein verbandsinternes Disziplinarverfahren gegen den Schützen anstrengen. Bei einer Verurteilung könnte es zu einer Haftstrafe von maximal drei Jahren kommen.