Essen. Qualitätspunkte und der Name allein machen noch keinen großen Wein aus, sagt Sommelier Björn Zimmer. So kommen Verbraucher auch beim Discounter auf den Geschmack.
Wein ist komplex, kompliziert sogar, vor Weihnachten aber ein großes Thema. Zum Fest wollen wir gut essen und trinken. Und Geschenke brauchen wir auch. Was aber ist ein guter Wein, und wie kann ich ihn erkennen? Helfen Punkte, Auszeichnungen oder Medaillen bei der Suche? Was sagt der Preis über einen Wein aus und wie können Händler helfen? Ein Gespräch mit Björn Zimmer (34), Sommelier und Gastronomieleiter im Essener Schlosshotel Hugenpoet und Sieger des diesjährigen Sommelier-Cups des Deutschen Weininstituts.
Herr Zimmer, vor Weihnachten schieben Supermärkte und Discounter ihr Weinsortiment weit nach vorn. Sie bewerben es mithilfe von Experten, die Punkte vergeben. Was steckt dahinter?
Björn Zimmer: Das mit den Punkten hat in den 1980er-Jahren angefangen. Robert Parker (Weinkritiker aus den USA, Anm. d. Red.) hat das System etabliert. In den letzten fünf Jahren ist es dann etwas inflationär eingesetzt worden. Fast jeder Discounter hat einen Verkoster. Und das hat auch etwas mit Absatz und dessen Förderung zu tun. Mehr als 70 Prozent des Weines in Deutschland werden von Aldi und Co. verkauft.
Was halten Sie persönlich von den Punkt-Systemen?
Björn Zimmer: Anfangs waren Parker-Punkte ein wirklich guter Ratgeber. Dann ist Parker zum Meinungsführer aufgestiegen, was meiner Ansicht nach keinen Sinn macht. Parker hat einen bestimmten Geschmack und diesen spiegelt sein Punktsystem wider. Feingliedrige Weine haben da keine Chance. Wenn einem Parker-Weine nicht schmecken, dann helfen seine Punkte nicht weiter. Grundsätzlich kann man sagen, dass von Experten hoch bepunktete Weine sicherlich keine schlechten sind, zumindest handwerklich. Ob sie aber schmecken, weiß ich erst nach dem Öffnen der ersten Flasche.
Es gibt auch Siegel oder amtliche Kammerpreise. Was sagen diese denn aus?
Björn Zimmer: Das kann man nicht generell beantworten. Kammerpreise stehen aber für eine gewisse Grundqualität. Und für eine Typizität einer bestimmten Weinregion. Aber auch eine amtliche Prüfung kann auf einem Auge blind sein. Es gibt viele Weine, die keine Medaille haben, aber trotzdem gut sind – nicht alle Winzer schicken ihre Weine zur Prüfung.
Gibt es Hilfsmittel, die beim Weinkauf zu empfehlen sind?
Björn Zimmer: Es gibt eine Reihe von Weinführern, die hilfreich sind, Eichelmann zum Beispiel oder der „Wein Gault Millau“ . Die Führer haben den Vorteil, dass hier durchaus auch gegen den eigenen Geschmack gute Weine bewertet werden. Hier arbeitet man zwar auch mit Punktesystemen, aber man bekommt durchaus Informationen zu Wein und Weingut.
Für den Fachhandel dürften Punkte und Medaillen wenig Bedeutung haben.
Björn Zimmer: Seriöse Händler kaufen nicht nach Punkten ein. Punkte sind ein guter Diener, aber ein schlechter Herr.
Châteauneuf-du-Pape oder Barolo, das sind Rotweine mit klangvollen Namen, die richtig teuer sein können. Es gibt sie derzeit bei Discountern für 9 bis 13 Euro. Ihre Meinung?
Björn Zimmer: Barolo ist einer der schwierigsten Rotweine, den es gibt, sehr kompliziert zu verstehen und selten schmeichelhaft zu trinken. Wenn Sie den für 10 statt für 25 Euro oder mehr kaufen, ist fraglich, ob sich dieses Schnäppchen am Gaumen rentiert. Ich sage: Ein Barolo für 10 Euro macht keinen Spaß. Beim Châteauneuf-du-Pape ist das etwas anders, der ist eher „Everybody‘s Darling“, weil er eine gewisse Fruchtopulenz mitbringt. Trotzdem bekommen Sie das, was einen Châteauneuf du Pape ausmacht, nicht für unter 35 €. Dann lieber einen guten Côtes du Rhone für kleines Geld.
Wie aber kann es sein, dass diese Weine beim Discounter so viel günstiger sind?
Björn Zimmer: Erzeuger können sich sehr wohl an die Richtlinien halten, dabei aber einen bescheidenen Wein in hohen Erträgen produzieren. Der Name allein sagt nicht, dass Weine groß sind. Der Preis im Übrigen auch nicht. Sie können viel Geld für schlechte Weine ausgeben.
Was raten Sie Verbrauchern, die einen Wein nach ihrem Geschmack suchen?
Björn Zimmer: Zunächst werbe ich dafür: Verbraucher sollten es wagen, den eigenen Verstand einzusetzen. Ich würde mir die Neugier nicht von Leuten verderben lassen, die sich angeblich viel, viel besser auskennen. Ich würde mir aber sehr wohl helfen lassen und mir einen Weinhändler meines Vertrauens suchen. Der muss eine persönliche Beziehung zu mir aufbauen und sich an meinen Geschmack herantasten. Und dann muss ich viele Sachen ausprobieren, ohne geht es nicht.
Wenn ich etwas Besonderes suche, was würden sie mir da empfehlen?
Björn Zimmer: Einen tollen Speisebegleiter zu Lasagne oder Pizza – einen trockenen Lambrusco. Der ist nicht leicht zu finden, ist aber für mich pure Lebensfreude für acht bis zehn Euro pro Flasche. Oder einen deutschen Riesling, großes Gewächs (höchste Klassifikationsstufe des Verbandes Deutscher Prädikats- und Qualitätsweingüter, die Red.), fünf Jahre gereift. Viele Weißweine in guter Qualität werden heute leider zu jung getrunken.