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Viele Fußballer pflegen ihre Schuhe wie ein Heiligtum. Schon in jungen Jahren haben die Treter Kult-Charakter. Dabei sind Fußballschuhe doch nur niedrige Stilettos mit ganz vielen Absätzen.
Vor der WM munkelten die Medien, dass Jogi Löws arg verletzte Mannschaft mit einem Fluch belegt sei - so ein Quatsch. Wenn irgendwer unter einem Fußballfluch zu leiden hat, dann bin ich es. Nur ein Beispiel: Fußballschuhe. Sobald die Jungs von Herrn Löw neue Schuhe brauchen, schickt adidas wahrscheinlich drei Schuh-Vermessungs-Ingenieure mit einem schwarzrotgoldenen BMW ins Trainingslager. Die Herren nehmen von dem jeweiligen Millionärsfuß einen Gipsabdruck und überziehen ihn mit Blattgold, nach dieser Vorlage wird der Schuh handgenäht, von mehreren Orthodpäden in Form gestreichelt und abschließend von Theo Zwanziger persönlich gesegnet. Ich dagegen muss ins Sportgeschäft.
Dort beginnt es immer idyllisch. Mein Sohn steht so glücklich vor der Wand mit den neongrellen Schuhen wie die Mädels aus „Sex in the City” vor dem Manolo Blahnik-Schaufenster. Leider ist sein Urteilsvermögen dann ähnlich eingeschränkt. Im Grunde sind Fußballschuhe auch nur niedrige Stilettos mit ganz vielen Absätzen.
Professionelles Pieksen
Sobald mein Sohn die Schuhe an den Füßen hat, dribbelt er tor-besessen wie Christiano Ronaldo den Karton durch den Laden. „Passen die?!”, fauche ich. Der gereizte Unterton rührt daher, dass ich seit der F-Jugend genau acht Paar drückende Fußballschuhe ins Geschäft zurückgebracht habe und der Verkäuferin glaubhaft versichern musste, dass die rote Asche schon im Karton dranklebte. „Passen die wirklich?!”, drohe ich nochmal. „Perfekt!”, jubelt mein Sohn, wie immer. Die Verkäuferin, die ja so heißt, weil sie was verkaufen will, nickt euphorisch und piekst demonstrativ professionell an den Schuhen herum. Das hat mich früher mal beeindruckt, als meine Kinder noch butterweiche Elefantenschuhe trugen.
Moderne Fußballschuhe sind aus High-Tech-Kunststoff. Sie wiegen: nichts, sind aber hart und Aufprall-geschützt wie ein Volvo. Wer da einen Zeh fühlt, könnte auch die Kuppel des Atomkraftwerks Krümmel mit dem Zeigefinger nach Störfällen abtasten. Das Gestocher ist Show. Fußballschuhe sind Schicksal. „Sitzt perfekt”, flötet die Verkäuferin, für meinen Sohn klingt das so verlockend wie der Anpfiff.
Dampfende rosa Kinderfüße
Nach dem Abpfiff in Wuppertal humpelte er wieder vom Platz, diesmal in stahlblauen Schuhen, wie sie irgendein Fußballgott trägt, dessen Namen ich vergessen habe. Joey sah so besorgt aus wie Jogi. Löw. „Sie drücken!”, sagte mein Sohn. „Das liegt daran, dass man hier ständig den Ball auf den Fuß kriegt”, scherzte ich. Mein Sohn sah mich an, als wäre ich Kevin Prince Boateng und er Ballack. Ich zog ihm schuldbewusst die Schuhe aus und sah keine Blase, keine Druckstelle, nur zwei leicht dampfende rosa Kinderfüße. Da drückt nix, fand ich. „Doch”, beharrte mein Sohn, das sei die neue Technologie, die Schuhe seien so leicht, dass man nicht mal mehr die Druckstellen bemerke. Sie drücken sozusagen heimlich.
Ich glaube, ich habe die künstlerisch-sensible Seite der Fußballer bisher unterschätzt. Ob wir versuchen sollten, die Schuhe umzutauschen?, seufzte ich. Mein Sohn schaute mich an, als hätte ich ihm eine Amputation vorgeschlagen. Dann musterte er die neuen Schuhe zärtlich, beinahe verständnisvoll, und sagte tapfer: Seine Füße würden schon einen Weg finden.
Ich hätte meinen Sohn jetzt auch gerne gedrückt, aber das dürfen bei 12-jährigen Jungs ja nur noch diese verfluchten Fußballschuhe.