Essen.. Wer jetzt mit wachem Blick durch den Wald spaziert, kann viele Pilzsorten entdecken. Um dabei ein Abendessen einzusammeln, braucht es jedoch fundierte Kenntnisse. Denn viele Speisepilze haben giftige Doppelgänger. Ein Experte hat uns erklärt, worauf es beim Pilzesammeln ankommt.

Wenige Zentimeter über dem Waldboden liegt ein Märchenreich, bevölkert von verwunschenen Gewächsen mit klangvollen Namen: Glimmer-Tintling, Grünblättriger Schwefelkopf oder Safran-Schirmling. Mit Bernhard Demel durch den Wald zu gehen, hat etwas von einer Expedition: Überall gibt es etwas zu entdecken, überall warten Pilzwesen darauf, den Besuchern vorgestellt zu werden.

„Hier riecht es nach Anis – das könnte ein Grüner Anis-Trichterling sein“, sagt Demel und läuft schnüffelnd an einer Wegbiegung auf und ab. Doch der Gesuchte bleibt im Dickicht verborgen. Anders als der Hallimasch, der in kleinen Grüppchen einen toten Baum bevölkert. „Ein Speisepilz“, konstatiert Demel, „roh allerdings sehr giftig, und nichts für Anfänger“.

10 bis 15 tödlich giftige Sorten

Einfach losziehen und Pilze fürs Abendessen sammeln? Eine naive Vorstellung – beim Waldspaziergang mit dem Experten schnell als solche entlarvt. Zwar gibt es laut Demel nur etwa 10 bis 15 tödlich giftige Sorten in unseren Wäldern, doch etliche hundert verursachen Übelkeit, Kreislaufprobleme, Magen-Darm-Beschwerden und viele andere unerwünschte Wirkungen. Wieder andere sind zwar nicht giftig, aber schlicht ungenießbar.

„Pilze galten lange Zeit als unheilbringend“, sagt Demel, was auch darauf zurückzuführen ist, dass viele Speisepilze giftige Doppelgänger haben und nicht nur Laien den Unterschied oft nicht erkennen können. Trotzdem lohnt sich der Blick ins Pilzreich – und sei es aus reiner Entdeckerfreude: 6000 bis 8000 Großpilzarten leben in unseren Wäldern. Und aus der Nähe betrachtet, sehen sie erstaunlich unterschiedlich aus.

„Pilze sind etwas für die Sinne“

Der dünnstielige Glimmer-Tintling beispielsweise, der sogar essbar ist, trägt einen bepuderten Hut und zerfließt förmlich „wie Tinte“, wenn er alt wird. Sein Geschmack? „Leicht nussig“, so Demel, „aber weil ihn kein Mensch kennt, bleiben alle für mich“. Nebenan wächst die Vielgestaltige Holzkeule, ein Pilz, der tatsächlich an ein verkohltes Stöckchen erinnert. „Ich nenne ihn den Schneewittchenpilz“, erklärt Demel und schneidet den Fund der Länge nach auf. „Außen schwarz wie Ebenholz, innen weiß wie Schnee und wenn ich mich dabei schneide, naja.“

Weiter geht es, vorbei am Rosa Samthäubchen, am Großen Blut-Helmling, der seinen Namen von der roten oder braunen Flüssigkeit hat, die er bei leichtem Druck absondert, und am Beringten Schleim-Rübling. Auch dessen Name – man ahnt es – ist Programm.

„Pilze sind etwas für alle Sinne“, sagt Demel, während er sich die Finger abwischt. Sie riechen nach Mehl wie der essbare Büschel-Rasling oder nach Rettich wie der ungenießbare Rettich-Fälbling, schmecken nussig wie das Stockschwämmchen oder nach Anis wie der Anis-Egerling, bieten etwas fürs Auge wie der Fliegenpilz oder schmeicheln dem Tastsinn wie die Striegelige Tramete. „Los, streicheln Sie mal“, fordert Demel.

Zunderschwamm zum Feuermachen

Auch hoch oben in den Bäumen wachsen Pilze. Manche, wie den Schwefelporling, kann man gegart sogar essen. Er schmeckt angeblich fast wie Hühnchenfleisch. Wächst er allerdings an Eiben, sollte man ihn auf keinen Fall verzehren, weil er das Gift des Baumes in sich aufnimmt. Andere Baumpilze gehören zwar nicht in, dafür aber unter die Pfanne – historisch betrachtet. So diente der Zunderschwamm wohl schon Ötzi zum Feuermachen.

Der gefährlichste Pilz ist übrigens nicht der Fliegen-, sondern der Grüne Knollenblätterpilz, dessen Gift die Leber zersetzt – ein Exemplar könne eine ganze Familie vergiften. Besonders tückisch: Angeblich ist er zugleich der leckerste Pilz. Das sollen Menschen berichtet haben, die seinen Verzehr überlebten.

Was Sie beim Sammeln, Aufbewahren und Zubereiten beachten sollten

Wann in den Wald?

Saison haben Pilze hauptsächlich vom Spätsommer bis in den Herbst.

Mitnehmen oder nicht?

Nur, wenn man Pilze eindeutig zuordnen kann, sollte man sie mitnehmen und den Fund noch von einem Experten kontrollieren lassen. Früher gab es staatliche Pilzberatungsstellen, heute helfen ehrenamtliche Sachverständige, zu finden auf der Internetseite der Deutschen Gesellschaft für Mykologie, unter „Beratung und Ausbildung“ (www.dgfm-ev.de). Vermeintliche Tricks, wie das Mitkochen eines Silberlöffels, der sich bei Giftpilzen angeblich schwarz verfärbt, taugen nichts!

Pflücken, schneiden, reißen?

Die Pilze nie komplett rausreißen, da sonst das Wurzelgeflecht zerstört wird – stattdessen rausdrehen oder mit einem Messer abschneiden.

Wie transportieren?

Am besten in Körbchen oder Leinenbeutel – in Plastiktüten schwitzen die Pilze schnell und das Eiweiß beginnt sich zu zersetzen, außerdem können sich Bakterien schnell vermehren.

Lagern oder sofort verarbeiten?

Am Abend gesammelte Pilze können problemlos über Nacht im Kühlschrank aufbewahrt und erst am nächsten Tag zubereitet werden.

Zubereitung?

Im Idealfall sollten Pilze nicht gewaschen, sondern nur vom Dreck befreit werden. Für ein Pilzgericht Zwiebeln in Öl oder Butter anbraten, Pilze dazu geben und mindestens sieben bis acht Minuten (Hallimasch: 20 Minuten) durchgaren. Salz, Pfeffer, Petersilie und etwas Zitrone dazu, je nach Vorliebe auch etwas Schnittlauch oder Oregano und Rosmarin. Hat man nicht genug Pilze für ein ganzes Gericht, hilft ein Ei, das man darunter schlägt. Auch ein Becher Sahne passt gut . Pilze können auch getrocknet und zu Pulver zermahlen werden, mit dem man Suppen und Soßen aromatisieren kann. Experte Demel empfiehlt ein Mischgericht, das je zu einem Drittel aus Violettem Rötelritterling („riecht und schmeckt leicht nach Deo“), Fichten-Reizker („harzig“) und Hallimasch („säuerlich“) besteht.

Wohin mit den Resten?

Pilzgerichte vom Vortag können aufgewärmt werden, wenn sie gekühlt aufbewahrt wurden.