Washington. Männern wurden mit Scheren und Rasierern die Bärte abgeschnitten, Frauen ihre Haare. Wegen dieser Aktion stehen nun zwölf Mitglieder der Glaubensgemeinschaft der Amish vor Gericht. Sie sind wegen religiös motivierter Übergriffe“ auf andere Gläubige angeklagt.
Nach einem bizarren Streit innerhalb der Glaubensgemeinschaft der Amish hat die US-Justiz zwölf Mitglieder einer Splittergruppe wegen "religiös motivierter Übergriffe" auf andere Gläubige angeklagt. Wie das Justizministerium in Washington am Dienstag mitteilte, gehörte zu den Angeklagten der Führer der abgespaltenen Amish-Gruppe, Samuel Mullet, sowie mehrere seiner Angehörigen und Anhänger. Sie waren im November im Bundesstaat Ohio unter dem Verdacht festgenommen worden, in brutalen Aktionen Glaubensbrüdern und -schwestern die Bärte und Haare abgeschnitten zu haben.
Die Angriffe seien wegen "fortwährender religiöser Streitigkeiten" verübt worden, erklärte das Ministerium. Den Angaben zufolge geht es um insgesamt fünf Übergriffe, bei denen den männlichen Opfern mit Scheren und Elektrorasierern die Bärte und den weiblichen Opfern die Haare abgeschnitten wurden. Die Angreifer hätten sie während der Aktionen brutal festgehalten, einige seien dabei verletzt worden. Bärte sind bei Amish-Männern Zeichen ihrer Würde, nach der Hochzeit dürfen sie nicht mehr abgeschnitten werden.
Angriffe schockierten die Amish-Gemeinschaft
Der inzwischen 66-jährige Mullet lebt seit 1995 mit seinen Anhängern in dem abgelegenen Dorf Bergholz. Zeugenaussagen zufolge ist er seit dem Jahr 2003 Führer (Bischof) der dortigen Amish. Als zwei Jahre später mehrere Familien im Streit um seinen Führungsstil ausschieden, exkommunizierte er sie - musste aber später miterleben, wie seine Entscheidung bei einem Treffen von rund 300 Amish-Führern in Ulysses im Bundesstaat Pennsylvania wieder rückgängig gemacht wurde. Unter den Opfern der Bartschneideaktion war auch einer der sieben Bischöfe, die an dem Urteil gegen Mullet beteiligt gewesen waren.
Die Angriffe schockierten die pazifistische Amish-Gemeinschaft, der jede Form von Rache verboten ist, zutiefst. Im Rahmen ihrer Ermittlungen stellten die Ermittler nach eigenen Angaben fest, dass Mullet ähnlich einem Sektenführer über seine Gemeinschaft herrschte.
260.000 Menschen sind Amish-Mitglieder
Die Amish sind Angehörige einer Täufergemeinschaft, die im 18. und 19. Jahrhundert aus Europa in die USA auswanderte. Die Gemeinschaft zählt inzwischen rund 260.000 Mitglieder. Am bekanntesten sind sie dafür, dass sie die meisten Aspekte des modernen Lebens ablehnen. Die Polizei in Ohio ermittelt derzeit auch in einem Fall, in dem ein 15-jähriges Amish-Mädchen, das auf einem Pferdewagen von einer Weihnachtsfeier nach Hause zurückkehrte, von Unbekannten erschossen wurde. Der örtliche Sheriff vermutete, dass sie versehentlich von einem Querschläger getroffen wurde. (afp)