Der Ex-Präsident als gerupfter Bundesadler oder in Unterhose ohne Anzug: Millionen gut gelaunte und bunt verkleidete Jecken bejubelten die Umzüge in den rheinischen Karnevalshochburgen. Die Politik musste viel Häme einstecken

Der Ex-Bundespräsident hat bei den Rosenmontagszügen Spott und Häme einstecken müssen - ob als gerupfter Bundesafler oder als Kaiser ohne Hemd und Hose. Millionen gut gelaunte und bunt verkleidete Jecken bejubelten am Montag die traditionellen Umzüge in den rheinischen Karnevalshochburgen. Hier und da ließ sich sogar die Sonne sehen. Wulff hatte mit seinem Rücktritt die Wagenbauer ordentlich ins Schwitzen gebracht. Die bereits fertigen Entwürfe mussten kurzerhand umgebaut werden.

Die Düsseldorfer - bekannt für ihre frechen bis politisch unkorrekten Mottowagen - zeigten Wulff als gerupften Bundesadler, der eine Bruchlandung hingelegt hat. An seinem Körper hingen nur noch wenige Federn, darunter stand "Und Tschüss...". Neben ihm fand sich eine hochaktuelle Anspielung auf seinen designierten Nachfolger: Aus einem Ei scheint in jedem Moment Joachim Gauck zu schlüpfen.

Auf einem Kölner Wagen wurde Wulff vom deutschen Michel aus einem viel zu großen Anzug gezogen. Aus der Kleidung fielen Handy, Prozente, Zinsen und Urlaubsreisen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) raufte sich entsetzt die Haare. Die ganze Szene spielte sich vor dem "Kaufhaus Vorteilsnahme" ab. In vergleichbarer Weise war ein deutsches Staatsoberhaupt - ob gescheitert oder nicht - im rheinischen Karneval noch nicht verspottet worden.

Neben Wulff waren in diesem Jahr auch Merkel und die FDP ein beliebtes Opfer. Auf einem Düsseldorfer Mottowagen drückte die Bundeskanzlerin den klein geratenen französischen Staatspräsidenten Nicolas Sarkozy an ihre üppige Brust. Auf einem weiteren Entwurf trat sie auf einem Tandem mit einem Skelett namens FDP in die Pedale. FDP-Chef Philipp Rösler wurde zu Merkels Schoßhündchen gemacht.

Abseits der Politik

Witzig war eine Hommage an den verstorbenen Humoristen Loriot. Loriot steht vor Petrus im Himmel, der ihm entgegnet: "Die Ente bleibt draußen". Das Netzwerk Facebook wurde als Datenspinne dargestellt. Für Smartphones soll es nach dem Sinn der Narren künftig eine "Pappnas-App" geben. Mit Blick auf den Ärztemangel wurde die RTL-Sendung "Bauer sucht Frau" in "Bauer sucht Arzt" verwandelt.

In Köln waren unbestätigten Angaben zufolge mehr als eine Million Narren an der sieben Kilometer langen Strecke. Viele schunkelten oder riefen den rund 12.000 Teilnehmern "Kamelle, Kamelle" zu. "Die Straßen sind brechend voll. Alles verläuft positiv", sagte die Sprecherin des Festkomitees des Kölner Karnevals, Sigrid Krebs. In Düsseldorf waren es knapp eine Million.

Unter die dicht gedrängten Narren mischte sich Prominenz aus Politik, Sport und Showbusiness. Unter anderen waren NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD), Fußballprofi Lukas Podolski und die ehemalige Profischwimmerin Franziska van Almsick in Köln dabei.

Die Feiern blieben größtenteils friedlich

Mit den Rosenmontagszügen erreichte der Straßenkarneval seinen Höhepunkt. In Köln wurden unter dem diesjährigen Motto "Jedem Jeck sing Pappnas" 300 Tonnen Süßigkeiten, mehr als 700.000 Schokoladentafeln, über 220.000 Schachteln Pralinen und 300.000 Sträuße ins Publikum geworfen. In Düsseldorf lautete das Motto "Hütt dommer dröwer lache". Auch in Bonn, Aachen und im Ruhrgebiet gingen Hunderttausende Karnevalisten auf die Straße.

In Essen machte sich ein Zug unter dem Motto "11 x 7 - So wird Spaß geschrieben" auf den Weg - in Anlehnung an das 77-jährige Bestehen des Essener Karnevals. Ein Sprecher des Festkomitees berichtete von 100.000 Besuchern. In Dortmund feierten sogar 250.000 Narren. In Münster waren es nach Polizeiangaben 90.000 Jecken.

Nach Polizeiangaben blieb es überall größtenteils friedlich. In Düsseldorf kamen bis zum frühen Abend vier Randalierer in Polizeigewahrsam, zehn weitere wurden festgenommen. "Gutes Wetter - gute Stimmung", teilte die Bonner Polizei am Montagabend mit.

Einen tragischen Unfall gab es in Blankenheim-Ripsdorf (Kreis Euskirchen). Ein Karnevalist wurde von einem Anhänger zerquetscht. Der Mann kämpft im Krankenhaus um sein Leben, wie ein Polizeisprecher sagte. Der 24-jährige wollte einen Traktor samt Karnevals-Anhänger einweisen, als das Gespann auf einer glatten Ausfahrt ins Rutschen geriet. Dann drückte der Anhänger den Mann gegen eine Hauswand.

Rettungskräfte brachten den schwer verletzten 24-Jährigen in eine Spezialklinik. Seine Situation sei sehr kritisch, sagte der Polizeisprecher.

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