Essen. In den Kliniken Essen-Mitte arbeiten Ärzte aus der Schulmedizin und Naturheilkunde zusammen. Das anfangs viel kritisierte Modell ist deutschlandweit beispielhaft. Die Ärzte Dr. Sherko Kümmel und Prof. Gustav Dobos erklären, warum für betroffene Frauen neben Therapie auch Zuwendung wichtig ist.
Lange war es so: Die Schulmedizin behandelte nach der Methode der Schulmedizin und die Naturheilkunde nach der Methode der Naturheilkunde – beides war klar abgegrenzt. Berührungspunkte gab es keine oder wenige. Nicht selten beharkten sich beide oder lieferten sich manchen Grabenkampf. Doch in Essen gehen Schulmedizin und Naturheilkunde seit einiger Zeit Hand in Hand. Und das auch auf einem Gebiet, das klassischerweise allein der Schulmedizin gehörte: dem Brustkrebs. Dr. Sherko Kümmel, Direktor der Klinik für Senologie und Leiter des Brustzentrums der Kliniken Essen-Mitte, und Prof. Gustav Dobos, Leiter der Klinik für Naturheilkunde, sind die Begründer der „integrativen Onkologie“ – ein Projekt, das deutschlandweit als beispielhaft gilt.
Ob Akupunktur, Meditation, Ernährungs-, Ordnungs- oder Gesprächstherapie – immer kommt es darauf an, was genau für die Patientin und ihren individuellen Krankheitsverlauf wichtig ist. Naturheilkunde ist individuell. Ein wesentlicher Baustein ist neben den Therapien auch die Zuwendung.
Wie besonders dieses Modell ist, zeigt sich auch daran, dass die beiden Ärzte von Frauen ausgezeichnet wurden, die eine Menge von der Krankheit, aber auch vor allem von Frauen verstehen: Denn der Verein „Mammazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs“ vertritt die Interessen der Betroffenen. Nicht jede erkrankte Frau kann darüber berichten, dass ihr Arzt einfühlsam auch auf die Beschwerden eingeht, die nicht lebensbedrohlich sind, aber die Lebensqualität extrem herabsetzen.
Auszeichnung für die Essener Ärzte
Weil die Essener Ärzte genau hier ansetzen, hat „Mammazone“ den beiden den Preis verliehen, den „Busenfreund“. Dr. Sherko Kümmel hält die Trophäe in die Höhe: „Wir haben uns sehr über die Anerkennung gefreut.“ Ein Preis dafür, dass sie die Frauen sehr ernst nehmen, wenn sie erzählen, wie sehr sie unter der Chemotherapie leiden, unter der Übelkeit, der Erschöpfung. Denn genau hier setzt die Naturheilkunde an.
Prof. Gustav Dobos sagt: „Anfangs wurde man von vielen Seiten kritisiert. Aber mittlerweile wird das Projekt nicht mehr infrage gestellt. Im Gegenteil. Viele Kliniken und die Deutsche Krebsgesellschaft ziehen nach.“ Dobos und Kümmel sind deutschlandweit unterwegs, um den Kliniken die Vorteile ihrer Methode vorzustellen.
Dr. Sherko Kümmel, früher an der Berliner Charité, habe von seinen Patientinnen gelernt: „Viele haben mir gesagt, wie gut ihnen zum Beispiel Meditation oder Sport tut.“ Lange hätten Schulmediziner so etwas gar nicht richtig wahrgenommen. Doch die Zeiten hätten sich glücklicherweise geändert.
Die Nebenwirkungen lindern
Zu den Nebenwirkungen zählen Knochenschmerzen, Übelkeit, wunde Schleimhäute und schwere Erschöpfung (Fatigue-Syndrom). Viele Frauen klagen über Wechseljahrsbeschwerden. Die individuelle naturheilkundliche Medizin biete hier ein Spektrum von Akupunktur, Pflanzentherapie, Meditation, Yoga oder Mind-Bodymedizin (wie Ordnungstherapie). Mittlerweile gebe es eine Reihe Studien, die die nWirksamkeit belegen, sagt Gustav Dobos. Frauen mit Brustkrebs litten zudem häufig unter Ängsten, was sich auch in Schlafstörungen äußere. Ob psychologische Betreuung oder Akupunktur – was genau zu welcher Frau passe, werde in aller Ruhe mit der Frau besprochen.