Köln. Der Handel mit illegal produzierten Medikamenten nimmt in Deutschland Besorgnis erregende Ausmaße an. Experten gehen davon aus, dass 96 Prozent außerhalb der Portale von Internetapotheken angebotenen Arzneien gefälscht sind. Die Strukturen der Arznei-Mafia ähneln denen im Rauschgifthandel.
Die Fälschungen sind im besten Fall wirkungslos, oft aber auch massiv gesundheitsschädlich. Sie werden meist aus Asien oder Osteuropa auf den klassischen Drogenrouten eingeschmuggelt oder von dort per Post zugestellt. Der jüngste Trend: Sogar das Anti-Grippe-Mittel Tamiflu ist im Zuge der Schweinegrippe-Debatte kopiert worden und auf dem Markt aufgetaucht.
Die Zahl der vom Zoll beschlagnahmten Tabletten ist innerhalb von drei Jahren von einer halben Million auf knapp fünf Millionen gestiegen, die der Ampullen mit gefälschten Wachstumshormonen von 14 000 im Jahr 2005 auf heute 147 800. „Die Tendenz hält 2009 an”, bestätigt Wolfgang Schmitz vom Zollkriminalamt in Köln der WAZ. „Die Grauzone ist aber viel größer”, sagen Experten.
Dennoch nehmen Internet-Bestellungen kräftig zu. Besonders laufen Potenzpillen und Abnehmpräparate, weil diese dort anonym gekauft werden können. Oft ist die Dosis ihrer Wirkstoffe überhöht. Die Folgen des vermeintlich billigen Arznei-Einkaufs: Herzrasen oder Schwindel.
Fälscherwerkstatt im Ruhrgebiet aufgeflogen
Neu ist der Trend, dass Arzneifälschungen in Labors in Deutschland selbst hergestellt werden. So hat der Zoll kürzlich eine Fälscherwerkstatt im Ruhrgebiet auffliegen lassen. Ein anderer Schwerpunkt chemischer „Produktionen” ist die Region Rhein-Main. Offenbar meiden Täter zunehmend die Grenzübergänge.
Die „Verbraucherpreise” liegen laut Zollkriminalamt unwesentlich unter denen der Original-Arzneien etwa bei 80 Prozent – schon, um einen Plagiatverdacht gar nicht erst aufkommen zu lassen. Dennoch sind die Gewinne, die mit falschen Pillen gemacht werden, exorbitant. Sie entsprechen inzwischen denen im Drogengeschäft, nur sind die Risiken unverhältnismäßig niedrig: Im weitestgehenden Fall droht den Fälschern eine Haftstrafe von nur fünf Jahren.
Die Strukturen der Arznei-Mafia ähnelten denen im Rauschgifthandel, heißt es beim Zoll. Wenige Drahtzieher hätten die Regie und setzten ihren Willen intern notfalls mit Gewalt durch.