Köln. Die ,Körperwelten' können nicht mehr schocken, in Köln enthüllt sich ihre Zerrissenheit zwischen Aufklärung und Kommerz. Der Initiator, Gunther von Hagens, legt nach. Knochengestelle mit freigestellten Sehnen, Nerven, Adern, Muskeln, die manchmal mehr zeigen, als man wirklich sehen will.

Von der Provokation ist ein Flatterband geblieben, aber auch ein Flatterband zieht ja zuverlässig Leute an. Dahinter ums Eck wollte Gunther von Hagens eigentlich zwei präparierte Leichen in einer beliebten Sex-Stellung zeigen, aber das darf er nun nicht aus Gründen der Sittlichkeit, befand die Stadt Köln.

Also gibt's hier auch fast nichts zu sehen: Im Halbdunkel würde man gerade noch den Schriftzug „Wogen der Lust” erkennen, wenn man den Hals recken würde, aber das wäre doch viel zu peinlich.

Bevor Sie einem Mann, der Tote und Sex kombiniert, jetzt irgendwas unterstellen: Von Hagens will natürlich immer nur informieren, „Anatomie des Geschlechtsaktes” heißt das Paar daher; für die Erwartungen einzelner Besucher kann er nun wirklich nichts, wie sie etwa im Gästebuch aufscheinen: „Nur konnte ich leider hier kein fiekendes (!) Paar beobachten.”

„Körperwelten”, die Leichen des Anatomen Gunther von Hagens (64), sind wieder in Köln: Köln-Kalk, versteht sich. Eine mobile Halle, ganz in Rot und Schwarz gehalten, darin die nach seiner eigenen Methode präparierten Leichen: die Plastinate.

Mehr, als man sehen will

Die Ausstellung Koerperwelten von Gunther von Hagens 2009/2010 in Köln. (Foto: Yannik Willing)
Die Ausstellung Koerperwelten von Gunther von Hagens 2009/2010 in Köln. (Foto: Yannik Willing) © WAZ FotoPool | WAZ FotoPool

Knochengestelle mit freigestellten Sehnen, Nerven, Adern, Muskeln, die manchmal mehr zeigen, als man wirklich sehen will: An einem „werden die Leber, der Magen und der Dünndarm zur Seite verlegt, damit auch der Dickdarm in seinem gesamten Verlauf gut sichtbar ist”.

Ganze Körper, Körperteile, Embryos, Knochen, Schädelknochen, Leber, Lunge, Raucherlunge, vieles mehr. Warum auch die plastinierte Gestalt einer Giraffe dabeisteht, erschließt sich ebensowenig wie der Ziegenbock mit seinem äußerst skurrilen Text („Sowohl Männchen als auch Weibchen haben ein charakteristisches Bärtchen”).

Doch egal: Das ist alles nicht eklig, das ist auch alles brav erläutert („Die Gesamtheit aller Knochen bildet das Skelett”), und man kann sogar was lernen, nur: Richtig Sensation wie noch im Jahr 2000 eben hier in Köln macht das nicht mehr. Daher kam der öffentliche Streit zwei Tage vor Ausstellungseröffnung um die Toten beim Sex wie, nun ja, wie bestellt. Und doch ist es für einen Samstagabend eher leer.

Die Leute gehen umher, schauen hier, schauen da, unterhalten sich gedämpft, finden gut und finden schlecht, und es gibt auch etliches Lob im Gästebuch – doch leider: In Ohnmacht fällt niemand.

,Zur Zeit plastiniere ich einen Elefanten'

Am Ende kommen sie nochmal vorbei an einem Bild und Worten von Hagens': Als Wissensvermittler präsentiert er sich da, auch als jemand, der „zu philosophischer und religiöser Selbstbetrachtung” anregen will. Wie ein letzter Blick ins Gästebuch enthüllt, fiel die Selbstbetrachtung eines Besuchers so aus: „Wir hatten uns mehr Schocker erhofft.”

Und so schwankt die öffentliche Meinung über von Hagens: Den einen ist er tatsächlich der Forscher und Aufklärer, den anderen der Sensationsdarsteller, der Mann vom Jahrmarkt, der vor 100 Jahren auch Elefantenmenschen gezeigt hätte oder Damen ohne Unterleib – welch verquere Sensation!

Aber egal: In der Kölner Boulevard-Zeitung „Express” hat der 64-jährige Aufklärer gerade angekündigt, er überlege sich immer neue Dinge. „Zur Zeit plastiniere ich einen Elefanten. Und arbeite an Zentauren, also Figuren, die halb Mensch, halb Tier darstellen.” Hört sich so an, als laufe es doch auf Elefantenmenschen zu. Hatten die eigentlich Sex?