Essen.. Frank Plasberg zerrte ein Tabuthema ans Tageslicht: prügelnden Ehemänner und Väter. Damit griff er das Thema des zuvor gezeigten Spielfilms „Kehrtwende“ auf. Seine Gästeliste setzte sich aber nicht nur aus Theoretikern zusammen. Opfer und Täter Gunter Gabriel berichtete von seinen persönlichen Erfahrungen und zeigte damit: Es kann jeden treffen.
Es ist kein heißdiskutiertes Thema wie Guttenberg, Atomkraft oder die FDP. Niemand wirft dabei gerne mit Phrasen oder spitzfindigen Meinungen um sich. Dennoch wagte sich Frank Plasberg am Mittwochabend in „Hart aber fair“ an ein Problem, von dem viele Menschen persönlich betroffen sind: häusliche Gewalt, ausgeübt von Ehemännern und Vätern.
„Der Feind in der Familie - wenn der Mann zum Schläger wird“ war das Thema der Sendung. Plasberg schloss sich damit an den zuvor gezeigten Spielfilm „Kehrtwende“ an, in dem Dietmar Bär einen prügelnden Familienvater spielt. Die Botschaft des Films war eindeutig: Gewalt gibt es nicht nur in Hartz-IV-Familien. Frank Plasberg fasste den Bogen weiter und befragte seine Gäste zu Hintergründen, Scham und warum es so schwer ist, sich Hilfe zu holen. Besonders der persönlich betroffene Schlagersänger Gunter Gabriel sorgte dafür, dass die Diskussion nicht zu sehr ins Theoretische abrutschte.
„Heute tut mir mein Vater leid“
Bis auf den Schauspieler Dietmar Bär hatten nur richtige Experten auf Plasbergs Barhockern Platz genommen. Allen voran Gunter Gabriel. Als Kind sei er von seinem Vater geschlagen worden, erzählte er erstaunlich offen und ehrlich. Später, als Erwachsener, habe er dann seine eigene Wut an seinen Nächsten ausgelassen. „Dabei habe ich immer gesagt, so wie mein Vater werde ich niemals“, erinnerte er sich. Ein Wunsch, der gegen seine Aggressivität nicht angekommen sei. Doch auch wenn er mittlerweile wisse, dass sein Vater Schuld an seiner Gewalt sei, so Gabriel, habe er ihm vergeben: „Heute tut mir mein Vater leid.“
Der 71-jährige Schlagersänger war das Paradebeispiel, an dem die anderen Gäste ihre Thesen abarbeiten konnten. Dass sich Gewalt quasi vererbt, vom prügelnden Elternteil auf den später genauso aggressiven Nachwuchs, war keine Neuigkeit. Auch nicht, dass sich gewalterfahrene Frauen bevorzugt einen aggressiven und dominanten Partner suchen. Was dann aber genau in einer solchen Beziehung passiert, das ist ein Tabuthema.
Die Hoffnung lässt Frauen stillhalten
Marion Steffens, Gründerin des Frauenhauses Ennepe-Ruhr: „Die Frauen glauben, dass sie selber Schuld sind.“ Kleinigkeiten wie ein zu kalter Kaffee würden Streitigkeiten entfachen, die dann eskalierten. Und die Opfer seien dann davon überzeugt, dass sie selber die Schläge mit ihrem falschen Verhalten provoziert hätten. Genauso, so erklärte Steffens weiter, seien es dann Scham und eine absurde Hoffnung auf Besserung, die die Frauen stillhalten ließen.
Deutlich wurde das auch am Beispiel einer 48-jährigen Frau, die Moderator Frank Plasberg anonym ihre Leidensgeschichte zum Thema häusliche Gewalt erzählte und zu erklären versuchte, warum sie lange die Hoffnung hegte, die Situation werde sich ändern: Da ist zum einen die Erinnerung, dass es Liebe war und vielleicht zum Teil noch ist, warum ein Paar zusammenlebt. Auch ihre eigene Mutter habe versucht, die Beziehung ihrer Tochter wieder zu harmonisieren. Und da ist der unausgesprochene leise Vorwurf aus dem Umfeld, man sei ja irgendwie auch selbst schuld .... Was dem gesunden Menschenverstand widerspricht, ist noch immer Realität - und zwar keineswegs nur die Realität der sozialen Unterschicht.
Auch erfolgreiche Frauen werden zum Opfer
„Das hat nichts mit der Intelligenz zu tun“, betonte Anti-Gewalt-Trainer Martin Dubberke. Häusliche Gewalt gehe auch von gutverdienenden, hochgebildeten Männern aus. Genauso seien es nicht nur devote Hausfrauen, die unter den Schlägen ihrer Männer leiden würden. Auch Frauen wie die 48-jährige Interviewte, die beruflich erfolgreich ist, würden zum Opfer. Nur in diesen Gesellschaftsschichten, so stellte die Runde später fest, schaut niemand mehr hin.
Ob Hilferufe wirklich gehört werden, darüber war sich die Runde uneinig. Die Familienrichterin Isabell Götz betonte natürlich ihr Vertrauen in das deutsche Rechtssystem. Aus der Sicht der Praktikerin Steffens bringt ein Anruf bei der Polizei oft nichts oder provoziert sogar noch mehr Gewalt. Viel zu häufig würden die Beamten die Wohnung wieder verlassen, ohne den prügelnden Familienvater aus den eigenen vier Wänden zu verbannen, sagte sie. Und der schlage dann erst recht zu.
Viel zu oft totgeschwiegen
Aber warum ging es eigentlich nur um gewalttätige Männer? Was ist mit den Frauen, die ihren Partner quälen? Das fragten sich die Zuschauer und protestierten per Mail und Fax. Moderator Plasberg wagte einen Erklärungsversuch: Statistisch, und da pflichteten ihm alle Talkgäste bei, seien es eben viel mehr Männer als Frauen, die ein Aggressivitätsproblem hätten. Eine Aussage, die wohl keinem Kind viel hilft, wenn es von Mama mal wieder eine Backpfeife kassiert.
Es gab nicht viele neue Fakten über das Thema häusliche Gewalt in Plasbergs Diskussionsrunde. Theoretisch weiß ja jeder, dass man nicht schlägt und sich auch nicht schlagen lassen muss. Nur spricht selten jemand über dieses Problem. Es wird viel zu oft totgeschwiegen.