Berliner „Tatort“ zu Gewalt-Exzessen ist ein Spiegelbild der Gesellschaft
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Berlin.. Ein Mann wird von zwei Jugendlichen totgeprügelt. Das Szenario des neuen “Tatort“ aus Berlin ist hart an der Realität der jüngeren Vergangenheit - ebenso die Ermittlungen, die sich auf Video-Überwachung stützen. Die Frage nach dem Warum bleibt entsetzlich unbeantwortet - ebenso wie in der Realität.
Die Gewalt kommt aus dem Nichts, so scheint es jedenfalls, und plötzlich liegt ein Mann am Boden. Tot, zusammengetreten in einer hysterischen Raserei, einem Wutexzess, der in seinem Ausmaß so unerklärlich ist. Jonny K. in Berlin, Dominik Brunner in München, längst stehen Namen für diese Ausbrüche, die ratlos machen. Besonders, wenn die Täter mal nicht aus asozialen Verhältnissen stammen. „Früher haben wir aufgehört, wenn ein Mensch am Boden lag“, sagt der Ermittler im Berliner „Tatort: Gegen den Kopf“ (Sonntag, ARD, 20.15 Uhr) etwas hölzern auf, aber das ist ja auch die Antwort, die Polizisten heutzutage Journalisten regelmäßig in die Blöcke diktieren.
„Einfach so“ einen Mann getötet
Grimme-Preisträger Stephan Wagner („Der Fall Jakob von Metzler“) versucht es nun mit Fiktion, aber natürlich schwingt die Realität in jeder Szene des aktuellen „Tatort“ mit. Die Fälle sind nah, die Angst, irgendwann einmal dazwischen zu geraten, können viele nachvollziehen. Wagner ist klug genug, nicht nach Erklärungen zu fahnden, wo nichts zu erklären ist. Warum wird ein Mann auf dem Bahnsteig totgeschlagen? „Einfach so“, wird der Täter am Ende sagen und vollkommen empathiefrei lächeln, als sei das nur eine grobe Dummheit gewesen, bei der er sich hat erwischen lassen. In der U-Bahn früh morgens geht der Krawall los, zwei angetrunkene deutsche Jungs (Jannik Schümann, Edin Hasanovic), die einen Rentner drangsalieren, ein Mann (Enno Kalisch), der mutig eingreift und wenig später dafür den Preis bezahlt. Woher kommt dieser Rausch der Gewalt, und warum greift niemand ein? Es sind immer dieselben Fragen.
Wagner inszeniert das als spannendes Puzzlespiel, in dem die Kommissare (Dominic Raacke und Boris Aljinovic) vor allem mit der Hilfe von Video-Aufnahmen, Handy-Fotos und Band-Mitschnitten, Indizien und zahllosen Zeugenaussagen die Teile langsam zusammensetzen, um herauszufinden, wer von den beiden Burschen für die tödlichen Tritte verantwortlich ist. Die Faszination in diesem düsteren, temporeichen Krimi, der sich jeglichen ablenkenden Schnörkel auch um seine Ermittler spart, liegt aber vor allem in der Vielstimmigkeit, mit der Wagner sich an dem Thema abarbeitet.
Der Polizei einen Schritt voraus
Wagner zeigt das Dilemma der Umherstehenden, die er nicht plump anklagt, obwohl es einfach wäre, er zeigt Reporter, die der Polizei oft einen Schritt voraus sind und dabei auch ethische Grenzen überschreiten, er zeigt junge Männer, die diese Grenzen gar nicht erst kennen. Ein Spiegel der Gesellschaft, in den man ungern blickt. Aber das ist ja die Qualität dieses Films.
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