Bergkamen/Berlin.. Die Initiative der Duogynon-Geschädigten weitet ihren Kampf gegen die Bayer Schering AG aus. Stellvertretend für Hunderte von Betroffenen hat der Lehrer Andre Sommer nun eine Haftungsklage gegen den Pharmakonzern eingereicht. Das Landgericht Berlin verhandelt darüber am 1. Juni.
Der Einsatz des hormonalen Schwangerschaftstestes Duogynon soll in den 1960er und 1970er Jahren schwere Missbildungen bei den Kindern verursacht haben. Schering bestreitet dies und beruft sich bei der gewünschten Akteneinsicht zudem auf eine Verjährungsfrist.
Aber Sommer (35) weiß, dass er auf dem richtigen Weg ist. Und dass er nicht alleine ist: Mehr als 340 Betroffene haben sich bislang bei ihm gemeldet, seit er vor gut einem Jahr den Kampf gegen die Bayer Schering AG aufgenommen hat.
Damals hatte der von Geburt an schwerstbehinderte Lehrer in einem Musterprozess Auskunft über die Nebenwirkungen des hormonellen Schwangerschaftstests Duogynon gefordert. Bislang vergebens: Laut Berliner Landgericht habe er kein Auskunftsrecht, da alle Schadensersatzansprüche seit 2005 verjährt seien. Bayer Schering selbst bestreitet einen Zusammenhang zwischen Duogynon und Missbildungen an Organen und Gliedmaßen.
Nun hat Sommer Haftungsklage eingereicht. Bei dem neuen Prozess, in dem es um Schadensersatz geht, hat das Gericht den Streitwert auf 55 000 Euro festgesetzt. „Aber in Geld ist das nicht bezahlbar, was mir und den anderen Betroffenen angetan wurde“, sagte er im Gespräch mit der WR. „Wenn, dann ist das nur ein symbolischer Wert. Das Geld ist zweitrangig. Mir geht es darum, zu zeigen, dass sich Bayer nicht weiterhin auf interne Unterlagen berufen kann, wonach es keinen Zusammenhang zu den Missbildungen gibt, die Akten jedoch nicht öffnet, weil die Ansprüche verjährt seien.“
Aber der 35-Jährige, der mit schweren Schädigungen an Blase und Geschlechtsorganen zur Welt kam, weiß auch, dass nur ein Gericht ihm und den anderen Betroffenen helfen kann: „Bayer sträubt sich mit allen Mitteln – angefangen von der Verjährung über eigene wissenschaftliche Erkenntnisse bis zum Lächerlich-Machen der Opfer und der Frage, ob meine Mutter das Mittel wirklich genommen hat. Die werden nie und nimmer freiwillig ihre Unterlagen offenlegen.“
Sommers Anwalt Jörg Heynemann bestätigt: „Bayer bestreitet und bunkert. Das Verhaltensmuster erinnert an Contergan. Auf der einen Seite wird alles blind und wider besseren Wissens bestritten, und auf der andern Seite werden die Opfer verunglimpft. Hat Bayer/Schering aus der Contergan-Affäre nichts gelernt?“
Und doch gibt Andre Sommer nicht auf: Er hofft nun, dass Zeugen - „interne Quellen“ des Unternehmens, die sich mit ihm in Verbindung gesetzt haben – bei der Verhandlung am 1. Juni aussagen werden. „Dann wären wir der moralische Sieger“, ist Sommer überzeugt, „auch wenn Bayer Schering die Unterlagen nicht herausrückt.“