München. Serienweise Todesfälle im Umfeld des NSU-Prozess sind Stoff für Verschwörungstheorien. Auch unter den Experten gibt es Verwunderung.
Mordet der NSU immer noch? Die Häufung von mysteriös erscheinenden Todesfällen sorgt seit Monaten für Spekulationen – die nun neue Nahrung erhalten. Dabei widersprechen sich jedoch die Experten gegenseitig.
Es begann im September 2013 mit dem Tod des früheren Rechtsextremisten Florian H. in Stuttgart. Der 21-Jährige verbrannte in seinem Auto, die Polizei sprach danach von Suizid. H. hatte zuvor Freunden und Angehörigen gesagt, dass er die wahren Mörder der Polizistin Michèle Kiesewetter kenne.
20-Jährige starb offiziell an Thrombose
Die Beamtin, die wie das NSU-Trio aus Thüringen stammte, wurde im Jahr 2007 in Heilbronn erschossen – laut offizieller Darstellung von den mutmaßlichen Rechtsterroristen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos. Ausgerechnet am Tag seines Todes sollte Florian H. dazu vom Landeskriminalamt befragt werden.
Im März 2015 starb dann Melissa M., die Ex-Freundin von Florian H., mit 20 Jahren an einer Lungenembolie. Ursache soll eine Thrombose nach einem leichten Motorradunfall gewesen sein. Kurz davor war sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit vom NSU-Untersuchungsausschuss des baden-württembergischen Landtags befragt worden – wo sie nur zögerlich aussagte.
Zu viele Zufälle für Extremismusforscher
Nun, im vergangenen Monat, kam nach Informationen der „taz“ auch der Verlobte von Melissa M. ums Leben. Die Behörden sollen wieder von Suizid ausgehen, berichtete die Zeitung. Die Ergebnisse der Obduktion seien aber noch nicht bekannt.
Der bekannte Extremismusforscher Hajo Funke, der sich seit Jahren mit dem NSU beschäftigt, sieht hier einen Zusammenhang. So viele Zufälle könne es gar nicht geben, sagte er unserer Zeitung. Nach seinen Informationen sei Florian H. „gezielt in den Tod“ getrieben worden. Zudem wisse er aus dem Umfeld vom Melissa M., dass sie vor ihrer Aussage „eine große Angst“ gequält habe. Der neue Todesfall und das Schweigen der Behörden sorgten bei ihm für „dicke Fragezeichen“, sagte Funke.
Linken-Politikerin findet es „tragisch“
Für die Linken-Politikerin Katharina König, die in Thüringen schon im zweiten NSU-Untersuchungsausschuss mitarbeitet, ist dies jedoch „ein völlig verfehlter Ansatz“. Die Landtagsabgeordnete räumte zwar ein, dass die Behörden viel Misstrauen gesät hätten. Auch sei es bei den Ermittlungen zum Tod von Florian H. zu Ermittlungsfehlern gekommen.
Dennoch, sagte sie unserer Zeitung, hätten mehrere parlamentarische Ausschüsse keine Belege für die Mordtheorie gefunden: „Wenn jetzt der frühere Freund der Ex-Freundin eines Zeugen stirbt, dann ist das zwar tragisch, aber kein Grund für irgendwelche Konstruktionen.“