Köln. Erst kannte sie keiner, bald kennen sie alle. Elaiza stach bei dem nationalen Vorentscheid für den ESC in Köln Favoriten wie Unheilig und Santiano aus. Beim ESC in Kopenhagen werden ihnen Chancen ausgerechnet. Für den Erfolg des Damen-Trios gibt es gute Gründe.

Weit nach Mitternacht ist es, aber die Kameras und Mikrofone vor den drei jungen Frauen in den Katakomben der Kölner Lanxess-Arena wollen noch nicht weichen. Elżbieta Steinmetz hat die hohen Schuhe ausgezogen und in die Hand genommen. Klein ist die wasserstoffblonde 21-Jährige, aber in dieser Nacht ist sie die Größte.

Mit dem Lied „Is it Right“ hat sie gut 90 Minuten zuvor den deutschen Vorentscheid zum Eurovision Song Contest (ESC) 2014 gewonnen. Zusammen mit Yvonne Grünwald (29) am Akkordeon, Natalie Plöger (28) an einem klassischen Kontrabass und unter dem Namen Elaiza. „Wie konnte“, fragt Steinmetz seitdem immer wieder, „konnte das nur passieren?“

Die Frage ist nicht ganz unberechtigt. Denn Elaiza war nicht das, was man einen Favoriten nennt. Im Gegenteil. Bei einer Schnapsverkostung in Berlin haben sie sich gefunden, spielen erst seit gut einem Jahr zusammen. Lieder, die Steinmetz manchmal als „Neo-Folk“ bezeichnet, aber irgendwie dann doch nicht in eine bestimmte Schublade packen möchte.

Für Elaiza hat alles mit einem Video begonnen

Mit einem Video im Internet haben sich die jungen Frauen beworben. „Wir dachten, unsere Musik passt ganz gut zum ESC, sagt die Sängerin. Die Band wird einem Club-Konzert nach Hamburg eingeladen, gewinnt dort eine Wild Card für den Vorentscheid in Köln. „Schon das konnten wir kaum begreifen“, erinnert sich Grünwald.

Sie haben sich deshalb auch nicht viel ausgerechnet für den Auftritt in der Domstadt. Zumal die Konkurrenz teilweise aus echten Schwergewichten besteht. „Santiano“ etwa, diese singenden Seemänner aus Schleswig-Holstein, die seit Monaten die größten Konzerthallen des Landes füllen und beim Vorentscheid mit dem „Fiddler On The Deck“ für extrem ausgelassene Stimmung unter vielen der 6500 Besucher in der Lanxess-Arena sorgen.

Und natürlich „Unheilig“ aus Aachen, die seit Jahren zu den erfolgreichsten Künstlern Deutschlands zählen und deren Sänger Bernd Graf extra ein spezielles Lied für diese Veranstaltung geschrieben hat.

Erst höflicher Beifall, dann tosender Applaus

Ganz in Weiß betreten die drei Frauen die Bühne und spielen dieses Lied, das unglaublich clever gemacht ist. Weil es geschickt aktuelle Pop-Sound mit östlich angehauchter Folklore mixt, durch die ungewöhnliche Instrumentierung einen hohen Wiedererkennungswert hat und einen extrem eingängigen Refrain, der sich ins Ohr schleicht und nicht mehr weichen.

Höflichen Beifall gibt es nach dem ersten Auftritt, tosenden Applaus und „Zugabe“-Rufe nach der Finaldarbietung. Der Graf hat so etwas geahnt, hat es zumindest nicht ausgeschlossen. „Seit Lena wissen wir, dass ein Underdog, den keiner kannte, die Herzen der Menschen erreicht. Man wünscht sich doch eigentlich diese Aschenputtel-Geschichte. Der Nobody, der an allen vorbeizieht und gewinnt“, hat er vergangene Woche in einem Interview mit „stern.de“ gesagt.

Am Ende siegt Elaiza tatsächlich. Und mit 55 zu 45 Prozent gar nicht mal knapp. Trotzdem warnt ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber davor, die Band nun zu Favoriten für das ESC-Finale zu machen: „Das wäre dumm.“ Aber selbst wenn sie nicht gewinnen, ist die Band das Beste was Deutschland in diesem Jahr in Sachen ESC passieren konnte.

Nicht vorbereitet auf die Sensation

„Unglaublich“ ist seit der Nacht zu Freitag das Wort, das Steinmetz am häufigsten nutzt. „Ich kann das alles gar nicht fassen.“ Sympathisch wirkt die Sängerin des Berliner Trios, wenn sie mit Händen und Füßen redet und immer schneller spricht vor Aufregung. Wenn sie erzählt vom früh verstorbenen Vater aus der Ukraine und der polnischen Mutter, mit der sie 2000 nach Deutschland gekommen ist. Oder dass sie Musik macht, seit sie 16 Jahre alt ist.

Ob sie auf diese Situation vorbereitet seien, werden sie gefragt. Nein, sind sie nicht. Deshalb haben sie sich die Wochen rund um das ESC-Finale auch nicht frei gehalten. Yvonne hat für den Finaltag sogar Karten für den Cirque de Soleil. „Aber da“, ist sie sich seit Freitag sicher, „werde ich dann wohl nicht hingehen.“