Washington. Lange Zeit gab es Zweifel, ob ein von Menschen gefertigtes Gerät erstmals das Sonnensystem verlassen hat. Nun hat die Sonde “Voyager 1“ diesen Meilenstein auf ihrer Reise nachweislich erreicht. “Voyager 1“ und die ebenfalls noch aktive Zwillingssonde “Voyager 2“ waren 1977 im Abstand von einem Monat ins All geschickt worden

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit hat eine Raumsonde das
Sonnensystem verlassen: Der Nasa-Veteran "Voyager
1" hat nach rund 35 Jahren Flugzeit die Grenze zum äußeren Weltall überquert,
wie US-Forscher um Donald Gurnett von der Universität von Iowa im Fachblatt
"Science" auf Grundlage neuer Messdaten berichten. "Jetzt, da wir neue,
entscheidende Daten haben, glauben wir, dass dies der historische Schritt der
Menschheit in den interstellaren Raum ist", erläuterte der "Voyager"-Projektwissenschaftler der US-Raumfahrtbehörde
Nasa, Edward Stone.

Zuvor war bereits wiederholt vermutet worden, dass die Sonde das Ende
des Sonnensystems erreicht habe, die Nasa hatte dies bislang jedoch nicht
bestätigt. Das "Voyager"-Team habe Zeit gebraucht,
um die neuen Beobachtungen zu analysieren und zu deuten, ergänzte Stone, der
nicht zu den Autoren der neuen Studie gehört. "Aber jetzt können wir die Frage
beantworten, die wir uns alle gestellt haben: "Sind wir schon da? - Ja, das sind
wir."

Funksignale der Sonde brauchen mehr als 17 Stunden zur Erde

"Voyager 1" (Reisender) war am 5.
September 1977 gestartet worden, die Zwillingssonde "Voyager 2" schon rund zwei Wochen vorher, am 20. August.
Nach den nun ausgewerteten Daten hat "Voyager 1"
bereits 2012 unser Sonnensystem verlassen. Die Sonde rast mit rund 60 000
Kilometern pro Stunde durch den Raum und ist mit einer Distanz von heute knapp
19 Milliarden Kilometern der fernste Bote der Menschheit. Wegen der enormen
Entfernung sind die Funksignale der Sonde mehr als 17 Stunden zur Erde
unterwegs. Die etwas langsamer fliegende "Voyager
2" ist heute rund 15 Milliarden Kilometer von der Erde entfernt und dank ihres
früheren Starts die am längsten kontinuierlich betriebene Raumsonde.

Die Grenze unseres Sonnensystems, die sogenannte Heliopause, ist
definiert als derjenige Ort, an dem der konstante Teilchenstrom von der Sonne
durch die von außen einströmenden interstellaren Teilchen gestoppt wird. Hinter
der Heliopause beginnt damit das interstellare Medium. Der Einfluss der
Schwerkraft der Sonne reicht allerdings noch deutlich weiter. Am 25. August des
vergangenen Jahres war die Zahl der Sonnenteilchen in "Voyagers" Messgeräten
plötzlich um mehr als den Faktor 1000 gesunken. Gleichzeitig nahm die Zahl
interstellarer Teilchen um knapp zehn Prozent zu.

Voyager eröffnet neues Kapitel
wissenschaftlicher Träume

Schon damals hatten Forscher vermutet, dass "Voyager 1" in den interstellaren Raum vorgestoßen war.
Aber erst neue Messdaten aus diesem April und aus dem Oktober vergangenen Jahres
erlaubten jetzt entscheidende Bestimmungen der Teilchendichten. Ergebnis: Die
Teilchendichte entspricht nun den Erwartungen für das interstellare Medium. "Wir
haben eindeutig die Heliopause passiert, die lang vermutete Grenze zwischen dem
solaren und dem interstellaren Plasma", berichtete der Hauptautor der Studie,
Donald Gurnett. "Wahrscheinlich im August 2012." Die Grenze unseres
Sonnensystems hätte die Sonde demnach in ungefähr 18 Milliarden Kilometern
Entfernung von der Sonne überschritten, das ist etwa 121 Mal so weit wie die
Distanz der Erde zur Sonne.

""Voyager" ist kühn in Regionen
vorgestoßen, die keine Sonde zuvor erreicht hat, das markiert eine der
bedeutendsten technologischen Errungenschaften in der Geschichte der
Wissenschaft", sagte der Chef des Nasa-Wissenschaftsdirektorats, John Grunsfeld.
"Indem sie in den interstellaren Raum vordringt, öffnet sie ein neues Kapitel
wissenschaftlicher Träume und Unterfangen des Menschen."

Sonde trägt Plattenspieler mit Gebrauchsanleitung mit sich

Noch bis voraussichtlich 2025 kann die Sonde Daten liefern, dann wird
ihre Energiequelle erschöpft sein. "Voyager 1"
wird jedoch still weiter im All gleiten und erst in mehr als 38 000 Jahren den
nächsten Stern passieren, eine schwach leuchtende Sonne mit der Katalognummer
AC+79 3888 im Sternbild Kleiner Bär. Für den äußerst unwahrscheinlichen Fall,
dass eine fremde Zivilisation dem irdischen Botschafter begegnen sollte, tragen
beide "Voyager"-Zwillinge eine mit Gold überzogene
Kupferschallplatte mit dem Titel: "Laute der Erde" mit sich sowie einen
Plattenspieler - mit Gebrauchsanleitung. (dpa)