Koblenz. Es geht um Missbrauch und Zwangsprostitution in der eigenen Familie: Detlef S. (48) soll über Jahre Stieftochter, Stiefsohn und Tochter missbraucht haben. Beim Prozess in Koblenz kamen ungeheurliche Vorwürfe ans Licht.
Monster sehen anders aus. Größer. Kräftiger. Brutaler. Aber nicht so wie Detlef S., der in seinem weinroten Sakko fast zu versinken droht.
Das „Sex-Monster“, wie sie ihn in seinem Dorf Fluterschen nennen, das seit Dienstag vor dem Landgericht Koblenz sitzt, ist ein schmächtiger Mann, sieht weit älter aus als andere 48-Jährige. Über seinen Verteidiger lässt er mitteilen, dass er seine heute 28 Jahre alte Adoptivtochter Natascha achtmal geschwängert hat und der leibliche Vater ihrer sieben lebenden Kinder ist.
Manchmal soll er zugeschaut haben
Ein Geständnis ist das aber nicht. Denn die achtfache Vaterschaft steht gar nicht in der Anklage. Als Inzest-Drama gilt die Vaterschaft auch nicht, weil eine Stieftochter kein leibliches Kind ist. Dennoch: Was strafbar ist an den 350 Anklagepunkten, reicht auch so für jedes mögliche Strafmaß. Stieftochter, Stiefsohn und leibliche Tochter soll er über Jahre missbraucht, die beiden Mädchen gegen Geld auch an Männer in Nachbarorten für schnellen Sex verkauft haben. Manchmal soll er zugeschaut, Fotos geschossen oder mitgemacht haben.
Vier Jahre alt seien die Stiefkinder gewesen, als sie ihre ersten sexuellen Erfahrungen mit dem Maurer machen mussten. „Das tut nicht weh“, soll er gesagt haben. Oder: „Ich darf das als Vater.“ Als sie zwölf ist, verkauft er die Stieftochter laut Anklage gegen Geld an andere Männer, die dem Kind vorher Schnaps geben. 40 Mark kassiert der Vater dafür. Die leibliche Tochter, so heißt es, bedrängt er sexuell, als sie neun Jahre alt ist. Drei Jahre später vollzieht er mit ihr im Wald den Geschlechtsverkehr: „Ich muss dir was zeigen“, soll er gesagt haben, „das ist was ganz Tolles.“ Obwohl das Kind vor Schmerzen schreit.
„Mein Mandant bestreitet die Vorwürfe“, sagt Verteidiger Thomas Düber. Mehr wolle der Angeklagte nicht sagen. Mehrere Gespräche führt er mit Detlef S., denn ein Geständnis wäre wohl nötig, um dem Mandanten auch nur die vage Möglichkeit aufzuzeigen, irgendwann in Freiheit zu kommen. Laut Psychiater ist Detlef S. nämlich voll schuldfähig und ein Kandidat für die Sicherungsverwahrung.
Jugendamt in der Kritik
Vielleicht ist es der Anblick seiner beiden Stiefkinder, die im Gericht als Nebenkläger präsent sind. Ob das bei Detlef S., der in U-Haft sitzt, Wirkung zeigt? Einmal wird Natascha in Begleitung ihrer Anwältin sogar zu ihm gebracht. Soll sie ihn zum Geständnis bewegen? Weinend kehrt sie zurück. Bei ihrer Aussage wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen.
Die kargen Angaben von Detlef S. zu seiner Person geben schon ein wenig Auskunft über ihn. 1987 hat er seine vier Jahre ältere Frau geheiratet, die vier Kinder mit in die Ehe brachte. Vier weitere bekamen sie zusammen, acht Kinder brachte die Stieftochter zur Welt, eines starb. Im Jahr 2000 kauften sie das Haus in dem 750 Einwohner großen Dorf im Westerwald. Zu diesem Zeitpunkt adoptierte er die Kinder seiner Ehefrau. Woher das Geld für das Haus kam? „Alles Kindergeld“, sagt der Angeklagte. Einen Hauptschulabschluss hat er, eine Maurerlehre. Danach hat er nie gearbeitet. Bis auf die Jahre 2000 bis 2003. Da fuhr er Lkw.
„Krankes, pädophiles Stück Scheiße“
Das Jugendamt war in die Kritik geraten, weil es sich angeblich nicht um die Familie gekümmert hatte. Das Gegenteil ist der Fall. Auf den Hinweis einer Frau, dass einer der Söhne den Vater beschuldige, erstattet das Jugendamt im Jahr 2002 Anzeige gegen Detlef S. Die Ermittlungen führen zu nichts. Alle Familienmitglieder blocken ab. Nein, da sei nichts dran, der Vater habe nichts getan.
Acht Jahre sollte es dauern, bis Stieftochter Natascha schließlich einen Brief ihrer Halbschwester Jasmin fand, die mit 18 Jahren die elterliche Wohnung verlassen hatte. Darin beschuldigt sie den Vater all der Taten, die jetzt angeklagt sind. „Er ist ein krankes, pädophiles Stück Scheiße.“ Auch der Mutter macht sie Vorwürfe. Den Brief leitet die Schwester ans Jugendamt weiter.
Zwei Tage später kommt Detlef S. in U-Haft.