Amstelveen.. Es grenzt an ein Wunder: Die paralympische Sportlerin Monique van der Vorst (26) kann nach fast zehn Jahren im Rollstuhl wieder laufen. Für die 26-jährige Holländerin war Sport „ihr Leben“.
Manchmal liegen sie noch ganz nah beieinander, die alte und die neue Welt der Monique van der Vorst. Unten vor dem unscheinbaren Hochhaus in Amstelveen, einem Vorort von Amsterdam, parkt ihr blauer Kastenwagen mit dem Rollstuhl drin. Er gehört zu Moniques alter Welt. Zu der Welt, in der sie nach einer Operation plötzlich gelähmt ist. Und zu einer Welt in der sie eine der besten Behindertensportlerinnen der Welt wird. Oben im Flur steht ein Rennrad. „Für mein Training“, sagt Monique. Das ist ihre neue Welt.
Eine Welt, in der sie wieder laufen kann. Eine Welt aber auch, in der sie erst wieder die beste werden muss. Egal worin.
13 Jahre alt ist Monique, als 1998 bei einer Knöchel-Operation etwas schief läuft. „Es gab Komplikationen“, sagt Monique. Komplikationen, die dazu führen, dass die junge Niederländerin ihr linkes Bein unterhalb des Knies nicht mehr bewegen kann. Kurz darauf lässt auch die Beweglichkeit im anderen Bein nach. Sie fühlt nichts, kann nicht laufen.
Erst Reha-Maßnahme, dann Leidenschaft
Monique muss in den Rollstuhl. Schon nach kurzer Zeit beginnt sie mit „Handbiking“. Fahrradfahren in einer Art Liegerad. Drei Räder, die durch eine Handkurbel angetrieben werden. Was als Reha-Maßnahme beginnt, wird zur Leidenschaft. Monique ist gut. Nach zwei Jahren startet sie erstmals bei einem Rennen. Ein Jahr später ist sie Europameisterin, 2002 wird sie Weltmeisterin. Nun ist sie die Beste. Und bleibt es viele Jahre. „Das Handbiking gab mir ein Stück Freiheit zurück.“ Bei den paralympischen Spielen in Peking holt sie zwei Silbermedaillen. 2009 siegt sie beim legendären Hawaii-Triathlon.
Der Sport wird ihr Job, ist ihr Leben. Und dieses Leben, erinnert sich Monique, „war in Ordnung“. Auch weil es ihr Ziele gab. Das größte ist die Teilnahme an den paralympischen Spielen in London 2012. Dafür trainierte sie bis zu 30 Stunden in der Woche. Auch im Herbst 2010 auf Mallorca – dort schlägt das Schicksal erneut zu.
Beim Training auf der Sonneninsel prallt Monique mit einem anderen Radfahrer zusammen. „Danach hatte ich wahnsinnige Rückenschmerzen.“ Sie kommt ins Krankenhaus. Dort bekommt sie plötzlich Zuckungen in den Beinen. Doch ihre Ärzte warnen: „Mach dir nicht zu große Hoffnungen.“
„Man darf einfach nicht aufgeben“
Monique macht sich keine Hoffnungen, sie macht Fortschritte. Ganz kleine, ganz langsam. Irgendwann schiebt sie ihren Rollstuhl zwischen zwei Tische, zieht sich hoch, stützt sich ab auf den Platten – und fällt der Länge nach hin. Immer wieder, stundenlang. Bis sie steht und geht. Erst einen Schritt, dann mehrere. Heute kann sie eine halbe Stunde am Stück laufen. „Man darf einfach nicht aufgeben.“
Medizinisch sei das alles schwierig zu erklären, hat Moniques Arzt Dr. Christof Smit gesagt. Auch weil van der Vorst keine Krankenunterlagen freigibt. Deshalb kann Dr. Christoph Horsch, Oberarzt der Abteilung für Rückenmarkverletzte am Bergmannsheil in Bochum nur mutmaßen. Das sei, sagt er, aus der Ferne „nicht völlig erklärbar“. Denkbar sei eine „psychogene Lähmung“, für die es keine körperlichen Ursachen gibt. Das rücke die junge Frau aber auf gar keinen Fall in die Nähe einer Betrügerin. „Man kann dann wirklich nicht laufen.“
Monique selbst weiß nicht, was mit ihr passiert ist, will aber nicht von einem „Wunder“ sprechen. Eine Zeit lang, sagt sie, habe sie viel geweint. „Weil der Traum von einer Goldmedaille in London 2012 jetzt natürlich geplatzt ist.“ Mittlerweile aber überwiegt die Freude, wieder laufen zu können. Wobei schlichtes Laufen Monique nicht reicht. „Irgendwann“, kündigt sie an, „möchte ich einen Marathon gewinnen. Auf zwei Beinen.“