Essen.. Noch in den Achtziger-Jahren gab es im Büro einen strengen Dresscode: Anzug mit Krawatte und schwarzen Schuhen. Seit einigen Jahren aber bröckelt diese Kleiderordnung. Rucksäcke und Sportschuhe halten Einzug in die Arbeitswelt. Doch nicht alle Turnschuhe sind für jedes Büro geeignet.

Als Joschka Fischer im Dezember 1985 seinen Amtseid als Umweltminister von Hessen ablegte, war er der erste Grünen-Minister überhaupt. Doch es war weniger die Veränderung des politischen Systems, die am Tag nach der Vereidigung die Nation beschäftigte. Viel entscheidender waren Fischers Schuhe. Denn der damals 37-Jährige hatte es tatsächlich gewagt, seinen Amtseid in Turnschuhen abzulegen. In den Achtziger-Jahren war das eine scharfe modische Kampfansage gegen die etablierten Anzugträger. Mittlerweile aber sind Turnschuhe längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen - und können sogar bei der Arbeit getragen werden.

"Joschka Fischer war ein modischer Trendsetter", sagt Sabine Resch von der Akademie für Mode & Design in München. "Damals galt noch ein sehr strenger Dresscode. Und Turnschuhe kamen darin nicht vor." Wahrscheinlich wäre das noch heute so, wenn nicht in den Neunziger-Jahren der Computer die Büros erobert hätte - und mit ihm die Computer-Experten.

Es gibt Turnschuhe und Turnschuhe

"Diese so genannten Nerds haben sich nicht für die althergebrachten Regeln interessiert. Sie kamen mit Rucksäcken und lockeren Schuhen zur Arbeit", erklärt Resch. Andere Arbeitnehmer hätten dafür vielleicht Ärger bekommen, nicht aber die Nerds: "Die wurden gebraucht, weil sie sich mit Computern auskannten. Man konnte sie nicht rauswerfen."

Heute hingegen darf fast jeder bei der Arbeit Sportschuhe tragen. "Der lockere Freizeitlook ist im Moment sehr angesagt", sagt Gerd Müller-Thomkins, Geschäftsführer des Deutschen Modeinstituts in Düsseldorf.

Grundsätzlich müsse man aber zwischen zwei Arten von Schuhen unterscheiden, erklärt Mode-Expertin Sabine Resch: "Turnschuhe, die wirklich für Sport gedacht sind, sogenannte Active Wear, sollten lieber zu Hause bleiben." Ganz anders sei das bei Sneakern.

Turnschuhfreie Zonen

Die sehen zwar fast wie Laufschuhe aus, sind aber eigentlich modische Alltagsschuhe. "Sneaker sind schick, aber sie sollten damit besser keine 30 Kilometer laufen", erklärt Resch. Es gibt sie mittlerweile sogar aus edlem Leder oder in klassischem Schwarz. Diese Schuhe können problemlos an den meisten Arbeitsplätzen getragen werden - zumindest, wenn es keine alten und abgelatschten Exemplare sind.

Sogar Modezar Karl Lagerfeld lief bei einem öffentlichen Auftritt in Paris mit Sneakern herum. Und auch andere bekannte Modedesigner haben Sportschuhe für Adidas und weitere große Marken entworfen - ein Ritterschlag für den einst verpöhnten Turnschuh.

Sogar Barack Obama pfeift auf alte Moderegeln

Es gibt allerdings noch einige Bastionen des alten Dresscodes, erklärt Sabine Resch: "In Unternehmensberatungen, bei Banken oder Versicherungen sind Sneaker noch tabu." Und auch bei abendlichen Empfängen sind die lässigen Straßenschuhe nicht gerade gern gesehen. Doch das muss nicht so bleiben.

"Ich glaube, dass Sneaker bald auch dort Einzug halten", sagt Sabine Resch. Die Kleidungsregeln würden generell lockerer werden: "Selbst Barack Obama absolviert mittlerweile öffentliche Auftritte ohne Krawatte, manchmal sogar ohne Jackett. Und wenn der US-Präsident die Regeln lockerer nehmen kann, darf das bald jeder." (fel)