Mülheim/Dortmund. Vor einiger Zeit Tüftlern vorbehalten, lassen sich 3D-Drucker heute auch im Privatbereich sinnvoll einsetzen. In der Forschung sparen sie Zeit und Geld.
Er hat schon immer gerne gebastelt. Doch anders als früher streicht Johannes Schmitz heute nur ein paar Mal mit dem Klebestift über die angewärmte Glasplatte seines „Ultimaker 2“ – und lässt dann basteln. Zuerst ist nur ein Surren zu hören. Die Platte wird ein Stück hochgefahren und dann erwacht die Konstruktion aus Metallgestänge, Motoren und Düse zum Leben. Ein Klecks gelbe Paste spritzt die Düse an den Rand, zur Selbstreinigung, dann macht sie sich an die Arbeit: gelbe Kreise mit einer Gitterstruktur im Inneren.
Etwa sieben Stunden später wird Johannes Schmitz neun stabile Kunststoffkugeln haben, inklusive Öffnung an der richtigen Stelle und eingraviertem Schriftzug. Der Laie kann damit nicht viel anfangen – doch für Schmitz sind die Kugeln Arbeitsmaterial, Bestandteil seiner Kletterausrüstung. Normalerweise kauft er sie, jetzt druckt er sie aus.
Wie funktioniert 3D-Druck?
Der Ultimaker 2 ist ein 3D-Drucker, dessen Arbeitsweise ein wenig an die gute alte Heißklebepistole erinnert: Die Düse, der sogenannte Extruder, baut das zu druckende Objekt Schicht für Schicht aus dem geschmolzenen Grundmaterial auf, beim Aushärten verkleben die Schichten miteinander. Man spricht auch vom „additiven Verfahren“. Der Kleber auf der Platte stellt sicher, dass auch die unterste Schicht haften kann.
Obwohl der Drucker den handwerklichen Teil übernimmt, bleibt Johannes Schmitz Konstrukteur seiner Bastelei: Am Computer hat er zuvor ein dreidimensionales Modell erstellt. Dafür gibt es verschiedene Programme, darunter auch kostenlose, wie „SketchUp“ oder „Autodesk 123D Design“. Zwar müsse man sich einarbeiten, sagt Schmitz, „normales Technikverständnis“ würde aber ausreichen: „Ich bin kein Computer-Nerd.“ Bei komplexen Konstruktionen könne man außerdem auch auf zahlreiche Internet-Datenbanken, wie „Thingiverse“ zurückgreifen, und den fertigen Bauplan herunterladen.
Welche Materialien gibt es?
Im privaten Bereich werden überwiegend Polymilchsäure (PLA), ein auf Maisstärke basierender Kunststoff, und Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) eingesetzt. Die Materialien, auch Filamente genannt, werden auf Spulen verkauft, die je nach Gewicht etwa 20 bis 35 Euro kosten. Teurer sind spezielle Filamente, etwa in Holzoptik oder aus Nylon.
Im professionellen Bereich, wo die Technik teilweise längst zum Arbeitsalltag gehört, werden auch Metallpulver verarbeitet, allerdings mit einem anderen Druckverfahren. Vom 3D-Druck mit Metall, am liebsten Titan, träumt Matthias Domke, Lehrstuhltechniker der Fakultät für Experimentelle Physik an der TU Dortmund. Bislang druckt er, wie Johannes Schmitz, mit PLA oder ABS. Entweder mit dem zweieinhalb Jahre alten, mittlerweile teilzeitverrenteten „MakerBot“ oder dem „Profi3DMaker“, der wie eine erwachsene Version von Schmitz’ Drucker aussieht: ein transparenter Kasten mit sogenanntem „Druckbett“ – der beheizbaren Glasplatte – und dem Metallgestänge mit Extruder. Domke druckt heute einen Rahmen mit vier Auslegern für seinen „Multikopter“, ein Fluggerät, das auf La Palma Teleskope überwachen und warten soll.
In drei Stunden wird der Rahmen fertig sein – hätte Domke die Konstruktionswerkstatt der Uni bemüht, hätte die herkömmliche Fertigung eine Woche gedauert. Plus drei Wochen Vorlaufzeit.
Was kann gedruckt werden?
An der Uni sparen dank 3D-Druck mittlerweile viele Wissenschaftler Zeit und Geld. Domke druckt ihnen spezielle Teile für Versuchsaufbauten oder Prototypen, sogar grobe Gewinde kann der Drucker herstellen. „Aber wir drucken auch Sachen, die man so einfach nicht gut bauen kann“, sagt Domke, „komplizierte feine Bohrungen zum Beispiel“. Also gedruckte Löcher? Das kommt auf die Sichtweise an: „Wir drucken nicht das Loch, sondern den Käse um das Loch herum“, so der Experte.
In der Medizintechnik würden außerdem heute schon individuelle Prothesen gefertigt, die Forschung beschäftige sich zudem mit gedruckten Schädelsegmenten oder Kieferknochen. Und die Privatanwender? Was werden die künftig mit den Druckern anfangen können? „Es ist noch nicht absehbar, dass Kinder sich im Internet ihre Legosteine zusammenklicken und ausdrucken“, sagt Domke. Aber gerade bei Ersatzteilen, die auf dem Markt nicht mehr zu bekommen sind, oder schlicht zu teuer, sieht er die Zukunft der Geräte für den Heimbereich.
Johannes Schmitz ist bei der Anwendung seines Druckers bisher noch nicht an Grenzen gestoßen. Er fertigt Halterungen für Lampen, Vasen oder Winkel, um den wackeligen Duschkopf zu stabilisieren, außerdem Material für den Job und Ausstechformen für Plätzchen. „Eigentlich fehlt mir nur die Zeit, um alles umzusetzen.“ Sobald er davon mal genug hat, steht neben gedrucktem Fahrradzubehör noch ein größeres Projekt auf seiner Liste: ein weiterer 3D-Drucker, natürlich selbst gedruckt.