London. Der Sprößling des britischen Königshauses ist - ausgestattet nur mit Mut und einem Nylon-Seil ist er aus 239 Metern - an Europas höchstem Wolkenkratzer „The Shard“ hinabgeklettert – für einen guten Zweck.

Die Queen eskortiert James Bond ins Olympia-Stadion, Hubschrauberpilot William rettet Ertrinkende, Partyprinz Harry übt, wie man beim Strip-Billard nicht ständig verliert – und Prinz Andrew?

Der 52-Jährige, in der royalen Rollenverteilung seit jeher der Verfechter von Bequemlichkeit, hat gestern seine Komfortzone ebenfalls verlassen. Ausgestattet nur mit Mut und einem Nylon-Seil ist er aus 239 Metern an Europas höchstem Wolkenkratzer „The Shard“ hinabgeklettert.

Hinterher, am Fuß des Glas-Giganten, war natürlich alles ganz einfach: „Es gibt ja viel Psycho-Gequatsche, wie man seine Angst vor dem Abgrund überwindet“, strunzte da ein euphorischer Prinz Andrew, „aber es ist ganz simpel: Lehn’ Dich zurück, lass das Sicherheitsseil los und rutsch’ runter.“

239 Meter in die Tiefe

Simpel? Ganz sicher nicht! Wir sprechen hier von 87 Stockwerken, eine Höhe, in der man sich selbst hinter sicher geschlossenen Fenstern langsam an den Ausblick herantasten muss. Und wer genau hinschaute, der entdeckte auch beim Herzog von York in den wenigen Sekunden, in denen er am Sims in 239 Metern Höhe eingewiesen wurde, eine gewisse, nun ja, Verkniffenheit.

„Die Glasscheiben waren durch Kondenswasser und Morgendunst feucht“, erklärt Andrew im Rückblick, „die ersten sechs Stockwerke bin ich also nur geschlittert, nicht geklettert.“ Immerhin: Für den guten Zweck hat der Prinz die Abseil-Aktion ohne große Hysterie absolviert. Über 400 000 Euro hatten Briten Montagmorgen bereits online gespendet, bevor der Prinz überhaupt wieder sicheren Boden unter den Füßen hatte. Das Geld geht an wohltätige Organisationen wie Outward Bound Trust, die Stadtkindern Ferienfreizeiten auf dem Land ermöglichen. Auch versehrte Veteranen der Royal Marines, bei denen Andrew im Falklandkrieg als Hubschrauber-Pilot gedient hat, profitieren von den Spenden dieser Hingucker-Aktion. Um eine Wiederholung reißt Andrew sich trotzdem nicht: „Also, es war auch kein Spaziergang“, räumt er zum Schluss auf Drängen doch etwas kleinlaut ein, „ich bin froh, dass es vorbei ist.“

Die Queen war amüsiert

Auch wenn die „Königliche Hoheit“ mit der Bezwingung von „The Shard“ nun einen ganz neuen Klang bekommen hat, so war Prinz Andrew sicher nicht der einzige Prahlhans vor Ort. Sir Chris Bonington etwa, der nach Eiger-Nordwand und Mount Everest gestern ebenfalls den Londoner Glasgipfel nahm, hatte nur Spott für diese Mini-Herausforderung übrig: „Es ist ja viel einfacher, sich an Glas abzuseilen als im Gebirge, wo einem Wind und Schnee um die Ohren wirbeln“, sagte der 78-Jährige. Wobei auch er eingestehen musste, dass der Ausblick von Londons neuem Wolkenkratzer „absolut überwältigend“ sei.

Die Queen war derweil über Andrews Stunt voll im Bilde: „Sie ist eine fantastische Monarchin und hat sich gleich erkundigt, wem wir das Geld spenden wollen.“ Vielleicht fand sie es auch einfach nur gut, dass ihr Jüngster endlich mit dem Geldverdienen beginnt. Der 52-Jährige stand zuletzt eher wegen zwielichtiger Geschäfte im Mittelpunkt. Statt Klettern geht er zu ihrem Leidwesen auch lieber Fliegen: „Airmiles Andy“ lautet sein legendärer Spitzname, seitdem durchgesickert ist, dass er selbst die kurze Entfernung zum Golfplatz nicht im Auto zurücklegen mag. Gestern könnte er entdeckt haben, dass man mit zwei Füßen auch unwegsames Gelände passabel meistern kann.