Kopenhagen. In Dänemark ist die Zoo-Giraffe Marius getötet, öffentlich seziert und an Löwen verfüttert worden. Tierfreunde in ganz Europa laufen Sturm. Der Kopenhagener Zoo ertrinkt in einer Flut der Kritik. Die Entrüstung teilt aber nicht jeder. Nürnbergs Zoo-Direktor Dag Encke nimmt die Dänen in Schutz.

Der Fall der getöteten Zoo-Giraffe in Kopenhagen erhitzt die Gemüter. Dabei werden auch in Deutschland Zootiere getötet, wenn ihr Bestand zu groß wird. Der Direktor des Tiergartens Nürnberg und promovierte Biologe Dag Encke erklärt im Interview, warum Töten manchmal besser ist als Verhüten und warum er es in Ordnung findet, wenn die Kadaver an andere Zootiere verfüttert werden.

In Kopenhagen ist eine gesunde Giraffe getötet und an Löwen verfüttert worden, weil die Population zu groß geworden ist. Passiert so etwas häufiger, auch in deutschen Zoos
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Dag Encke: Ja, vor allen Dingen im Huftierbereich verfüttern wir auch Tiere, wenn sie entweder für das Zuchtprogramm nicht gebraucht werden oder die Plätze, die zur Verfügung stehen, nicht genügen. Das ist eine ganz alte Politik, die von den Zoos auch kommuniziert wird.

Gibt es zur Tötung Alternativen?

Dag Encke: Je nach Tierart haben die Zoos verschiedene Werkzeuge zur Hand. Bei manchen Arten kann man zum Beispiel die Geschlechter zeitweise trennen oder Verhütungsmittel einsetzen. Bei anderen funktioniert das aber schlechter. Grundsätzlich ist das letzte Mittel der Abschuss eines Tieres. Das heißt, wenn das Zuchtprogramm sehr erfolgreich ist, dann wird das Verfüttern der Tiere als letztes Werkzeug auch eingesetzt. Da muss man immer eine Abwägung machen.

Was spricht denn zum Beispiel gegen Verhütungsmittel?

Der Kopenhagener Zoo ließ den getöteten Marius öffentlich obduzieren - in Dänemark laut dem Nürnberger Zoodirektor Dag Encke ein durchaus üblicher Vorgang.
Der Kopenhagener Zoo ließ den getöteten Marius öffentlich obduzieren - in Dänemark laut dem Nürnberger Zoodirektor Dag Encke ein durchaus üblicher Vorgang. © rtr | Unbekannt

Dag Encke: In vielen Fällen sind sie auf Dauer gesundheitsschädlich. Großkatzen etwa können Tumore entwickeln. Die Medikamente führen bei vielen Arten zu sozialen Verwerfungen in der Gruppe. Außerdem enthalten sie den Tieren eine der zentralsten Verhaltensaufgaben in ihrem Leben vor: die Vermehrung. Das hat der Zoo in Kopenhagen ja auch schon erläutert.

Ist es üblich, dass getötete Zootiere an andere Zootiere verfüttert werden?

Dag Encke: Ein vernünftiger Grund zum Töten ist das Verfüttern. Der Zoo braucht dann kein Fleisch aus Massentierhaltung zu holen, sondern verfüttert bestes Biofleisch aus dem eigenen Betrieb.

Trotzdem gab es in Kopenhagen viel Protest. Können Sie verstehen, warum?

Dag Encke: Weil es um eine Giraffe geht. Das sind die großen Charismatiker unter den Tieren. Da schlucken die Menschen natürlich erst einmal. Aber eine Giraffe zu verfüttern, ist im Grunde nichts anderes, als ein Schwein zu keulen. Die Leidensfähigkeit der beiden Tiere ist identisch. Das zeigt, dass viele Menschen diesen Themen rein emotional begegnen. Wir Zoos sind auch dazu da, um den Menschen zu zeigen: Das ist etwas ganz Natürliches, auch eine Giraffe wird gefressen.

Der Kopenhagener Zoo hat die tote Giraffe vor der Öffentlichkeit obduziert - auch kleine Kinder haben zugesehen. Ist das sinnvoll?

Dag Encke: In Dänemark wird so etwas häufiger gemacht als in Deutschland. Dort sind in der Vergangenheit schon öffentliche Sektionen durchgeführt worden, um den Menschen zu zeigen, woran das Tier gestorben ist. Und um zu zeigen, wie so ein Tier funktioniert und wie es innen aussieht. Das ist meiner Meinung nach sinnvoll, denn wir reden hier über Dinge, die wir nicht kennen. Kinder haben meistens einen natürlicheren Zugang zu diesen Themen als Erwachsene - sofern der Zoo alles gut erläutert. (dpa)