Hagen.. Die Auszeichnung der „Bild“-Zeitung mit dem Henri-Nannen-Preis für die Berichterstattung über Christian Wulff hat die aktuelle Studie der Otto-Brenner-Stiftung nicht verhindert. Dennoch wirft die kritische Studie über die „Bild“-Zeitung dunkle Schatten auf das 60. Jubiläum des Boulevard-Blattes.

Ihr eigentliches Ziel hat sie nicht verhindern können. Die „Bild“-Zeitung erhielt den Henri-Nannen-Preis für ihre Rolle in der Staatsaffäre um Ex-Bundespräsident Christian Wulff. Dennoch entfaltet die Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung über Deutschlands auflagenstärkste Gazette Wirkung. „Bild und Wulff – ziemlich beste Partner“ verdirbt dem Springer-Verlag die Jubel-Stimmung kurz vor dem 60-jährigen Jubiläum des mächtigen Boulevard-Blattes.

Aber der Reihe nach. Wulff war im vorigen Winter in den Verdacht geraten, die Grenze zwischen Politik und Privatleben verwischt zu haben. Er reagierte zunehmend dünnhäutig auf die Berichterstattung, auch und gerade in der „Bild“-Zeitung. Das Blatt hatte lange als Hauspostille für sein Selbstmarketing verstanden. Schließlich ließ sich Wulff dazu hinreißen, auf der Mailbox von Chefredakteur Kai Diekmann eine Wut-Nachricht mit drohendem Unterton zu hinterlassen. Der Anruf markierte den Anfang vom Ende des vormals ersten Mann im Staat.

„Bild“ und Wulff - ziemlich beste Partner

Die promovierten Branchenkenner Hans-Jürgen Arlt und Wolfgang Storz nahmen den Fall zum Anlass für eine breitangelegte Studie. Sie wühlten sich durch mehr als 1500 „Bild“-Artikel über Wulff, entstanden zwischen 2006 und 2012. Danach kamen die Autoren der Studie zu der Erkenntnis, Wulff habe davon ausgehen können, zwischen ihm als Politiker und der Redaktion herrsche „eine seit vielen Jahren erprobte Geschäftsbeziehung“. Der Christdemokrat habe in der Mailbox-Affäre deshalb so wütend reagiert, weil er glaubte, „Bild“ habe den Pakt „einseitig und zum Schaden Wulffs“ aufgekündigt.

Tatsächlich bringt die Studie Belege dafür, dass „Bild“ Wulff zunächst „in allen Lebenslagen glorifiziert“ habe: „Genau in der Zeit, in der Christian Wulff geschnorrt, möglicherweise das Parlament getäuscht und gegen das Ministergesetz verstoßen hat, hat ,Bild’ ihn in einer Endlosschleife als den wunderbarsten Menschen und erfolgreichsten Politiker gepriesen.“

Fallstudie über eine einseitig aufgelöste Geschäftsbeziehung

Im Dezember 2011 jedoch bekam Wulffs Glanz-Bild immer mehr Risse. Die „Bild“-Zeitung, befinden Arlt und Storz, sei in jenen Tagen eine Getriebene gewesen. Sie habe vor der Wahl gestanden, als Helferin eines letztlich moralisch zweifelhaften Politikers dazustehen oder sich an die Spitze der Anti-Wulff-Bewegung zu setzen. „Bild“ entschied sich, in den Tagen vor Weihnachten „mit mehr Distanz und mehr Vernunft“ als andere Medien zu berichten – auch um nicht in den Ruch zu kommen, Wulff direkt aus dem Himmel in die Hölle zu schreiben.

Dennoch sehen die Autoren der Studie im Vorgehen von „Bild“ alles andere als eine Heldentat. Wer dieses Vorgehen als guten Journalismus lobe, müsse auch „Stalker für ihre Treue, Schwarzfahrer für umweltfreundliches Verkehrsverhalten und Schmuggler für das Überwinden von Grenzen auszeichnen“.